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Tod in Kreuzberg

Tod in Kreuzberg

Titel: Tod in Kreuzberg
Autoren: C Ditfurth
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Er überflog die Protokolle, es ging um Mieterhöhungen nach Hausverkäufen. Es tauchte immer wieder ein Name auf: Kolding AG. Matti begriff schnell, dass das ein Immobilienkonzern war, mit Sitz in Rotterdam. Offenbar war die Kolding AG der aktivste Käufer, er wickelte fast zwei Drittel der Transaktionen ab, genauer gesagt, er kaufte, verkaufte aber nie. Willi: Kolding kauft am liebsten Häuser, die in einem schlechten Zustand sind. Je schlechter das Haus, desto höher der Profit. Matti legte die Mappe auf den Schoß, den Finger an der Stelle, wo Willis These stand. Eigentlich ganz einfach, dachte er. Verrottetes Haus billig kaufen, renovieren, Eigentumswohnungen oder Luxusmietbuden rein, und schon fließt die Kohle. Jedenfalls in so einem Viertel wie dem Gräfekiez. Die Leute bezahlen für den Landwehrkanal, die Kneipen, den riesigen Kinderspielplatz, die Ruhe und die Lage mitten in Berlin. Und dafür zahlen sie an Kolding. Das ist ungefähr so, als hätte man eine Gelddruckmaschine im Keller. Das Schärfste waren die Paul-Lincke-Höfe an der Ecke Reichenberger und Liegnitzer Straße, wo reiche Pinkel ihre Ferraris und Pseudogeländewagen direkt vor dem Wohnzimmer parkten, eine Provokation, CarLoft genannt, nur möglich, weil ein Wachunternehmen diese Häufung von Börsenjunkies und Werbefuzzies vor dem Zorn Kreuzbergs schützte.
    Matti blätterte weiter. Von Aktionen war die Rede. Wie kann man Zuzüglern die Hölle heiß machen?, fragte Karla laut Protokoll. Sie schlug Sprayaktionen vor, Lärmattacken, Schimpfkanonaden. Man kann so einen geleckten Wichser ruhig mal anpöbeln, wenn Markt am Maybachufer ist.
    Klaus gab offenbar den Strategen, jedenfalls warnte er vor den langfristig negativen Folgen. Man dürfe sich nicht von der Bevölkerung entfernen, und die finde solche Aktionsformen eher abschreckend.
    Aber Karla war gar nicht einverstanden. Wenn man mit radikalen Aktionen Erfolg hat, gewinnt man auch die Mehrheit der Leute. Außerdem habe sie noch keinen anderen Vorschlag gehört, der irgendwas bringen würde. Es gibt nur die Möglichkeiten: Aktion oder Resignation. Rosi stimmte ihr zu: Wenn wir nichts Richtiges unternehmen, können wir auch gleich kapitulieren.
    In anderen Protokollen entdeckte Matti Hinweise, dass der Streit unentschieden blieb, sich die Bürgerinitiative grob in zwei Fraktionen teilte, in Radikale wie Karla und Rosi und Weicheier wie Klaus. Diese Art von Strategen kannte Matti, die verbargen ihre Feigheit hinter einer endlosen Kette von Worten.
    »Und?«, fragte Dornröschen. Sie lehnte am Türrahmen.
    »In dieser Ini gab es Leute wie Rosi oder so eine Karla, die standen auf Aktionen. Und diese anderen, du weißt …«
    Dornröschen winkte ab.
    »Es geht um einen holländischen Immohai, der hier dick eingestiegen ist«, sagte Matti nachdenklich.
    Twiggy erschien hinter Dornröschen.
    »Rosi kämpft gegen den Immohai, sie hat heiße Infos über den Konzern und Leute vom Senat, also muss Rosi weg«, sagte Twiggy.
    »Ich weiß nicht.« Matti schüttelte den Kopf.
    »Was weißt du nicht?«, fragte Dornröschen.
    »Das ist mir zu einfach.«
    »Meistens sind die einfachen Dinge wahr«, erwiderte Dornröschen schnippisch.
    »Und meistens hat Dornröschen recht«, sagte Twiggy.
    Matti nahm die Protokolle mit, sonst fanden sie nichts. Sie verließen die Wohnung. Vor der Tür wartete die Bohnenstange. Mit einem zuckersüßen Lächeln fragte ihr Froschmaul: »Nun, haben Sie die Kette gefunden?« Ihre Augen streiften hektisch über die drei Freunde. Matti, der als Letzter hinausgekommen war, versteckte die Mappe hinter seinem Rücken.
    »Ja«, säuselte Dornröschen und griff in die Tasche.
    Der Bohnenstange Augen folgten Dornröschens Hand, aber als die ihre leere Hand aus der Tasche zog, atmete sie einmal durch und wendete sich abrupt ab.
    »Ihr Schlüssel«, sagte Twiggy.
    Die Bohnenstange schnappte den Schlüssel, als Twiggy ihn hinhielt, und verschwand in ihrer Wohnung.
    Sie gingen zur Admiralbrücke. Je näher sie ihr kamen, desto langsamer liefen sie. Die Vögel zwitscherten, am blauen Himmel zeichnete ein Flugzeug, ein silbrig glänzender Punkt nur, Kondensstreifen. Ein weißes Cabrio rollte fast lautlos vorbei, darin ein junges Paar, ÜBerlin von R. E. M. verklang mit dem sich entfernenden Auto. Hier konnte kein Mord geschehen sein, dachte Matti. Dann wäre es düster, es gäbe kein Zwitschern und keine Musik.
    Das Kopfsteinpflaster der Brücke glänzte im Sonnenlicht. Der Mittelstreifen,
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