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Tod in Garmisch

Titel: Tod in Garmisch
Autoren: Martin Schueller
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diesem
Ambiente den Inbegriff des Bauerntums und Bayerntums.«
    »Ambiente!«, schnaubte Jo. »Grattler, nur Grattler hausen so.«
    »Hm, so gesehen zum Beispiel in Morgenbach, ich wüsste auch in
Boschach ein schönes Exempel. Und noch ein paar Dutzend im ganzen
Pfaffenwinkel. Du glaubst gar nicht, was wir bei der Polizei so alles an
Ambiente zu sehen kriegen.« Evi lachte.
    Ein Mann, der neben ihnen stand, mischte sich ein. »Sie haben ganz
recht«, er nickte Jo zu, »so ein Schmarrn, und die Welt denkt, wir Bayern san
alle Saubären.«
    »Na ja, die Welt? Das wird ein windiges SAT .1-Filmchen, wenn das die Welt ist! Uns bleibt die Flucht
zu ARTE und 3sat.« Evi lächelte.
    Sie starrten weiter auf das grattlige Sammelsurium, und sie durften
beobachten, wie die Schauspielerin nun schon zum zigsten Male die Wäsche
abnahm. Plötzlich hatte der Regisseur die Eingebung, dass ein paar Hühner das
Tüpfelchen auf dem i wären. Er scheuchte eine junge Frau los, Hühner zu
besorgen.
    »Puh, die beneide ich nicht um ihren Job!«, rief Jo. »Wo kriegt die
denn mitten in Peiting Hühner her?«
    »Beim V-Markt«, grinste der Mann.
    »Leider aber aus der Tiefkühltruhe«, ergänzte Evi und lachte
schallend.
    Seit drei Wochen nun schon hatte das Filmteam die Marktgemeinde
besetzt. Zahlreiche Statisten waren rekrutiert, Locations ausgelotet, wieder
verworfen und ganze Straßenzüge und Häuser eben kurzerhand umgebaut worden. Da
war der Orthopädieladen nun eben zu einer Trachtenboutique umgestylt worden –
von den orthopädischen Strümpfen zu den Trachtenstrümpfen – Guildo Horn hätte
seine Freude gehabt. Hinterher im Film würde das keiner merken. Auch nicht,
dass die Statisten gewandet waren wie beim Oktoberfest; es gab
Landhausscheußlichkeiten Marke Extrakitsch. Sehr apart war ein Mädel mit Zöpfen
in einem Ultrakurzdirndl, das nach oben presste und nach unten Einblicke gab.
Aber der Herr Regisseur hatte nun eben sein ganz eigenes Bayernbild, und das
Einsetzen von ländlichen Symbolen gehörte wohl dazu.
    »Wenn es bei mir so ausschaugn dat, dat i mi schama. Und wenn des
mei Tochter wär …«, sagte der Mann und ließ offen, was dann wäre. »Und jetzt
noch Hühner!« Damit trollte er sich.
    Jo sah ihm hinterher, dann auf die Uhr. »Ich muss ins Büro, ich bin
bloß froh, dass die nun doch in Peiting drehen und wegen der Passion nicht in
Ogau. So kann sich der Pfaffenwinkeltourismus damit rumschlagen und nicht ich.«
    »Schlecht für euch, das ist doch eine super Werbung. Wenn da im
Abspann dann steht: ›Wir danken den Ammergauer Alpen und der lieben Dr. Johanna
Kennerknecht.‹ Nun danken die Peiting und dem Pfaffenwinkel.« Evi war heute so
richtig gut drauf.
    »Sollen sie, sollen sie. Ich verzichte auf diese Ehre, ich habe
wegen der Passion genug am Hals, glaub mir. Da brauch ich nicht auch noch ein
wild gewordenes Filmteam. Allmächt, wie man bei dir sagen würde.« Jo drückte
Evi zwei Küsschen auf die Wange, und weg war sie.

ZWEI
    Was geschah? Der Stein trat aus dem Berge.
    Wer erwachte?
    Gerhard fuhr aus dem Schlaf hoch, er brauchte ein paar Sekunden, um
die Stimme zu erkennen, die sagte: »Er sitzt im Foyer der Raiba, auf geht’s,
Weinzirl. Sie sind gefragt.«
    Das war die Stimme von Baier, von seinem alten Kollegen und
Vorgänger. Menschenskind, der gute Baier, wie oft hatte er ihn besuchen und in
Baiers Hobbykeller mal wieder Bier und kubanischen Rum verkosten wollen. Aber
er kam ja nicht mal dazu, Kontakte zu seinen engsten Freunden zu pflegen, sogar
seine Vermieter nebenan sah er oft tagelang nicht.
    »Baier, altes Haus! Das freut mich ja.«
    »Schmarrn, Weinzirl. Das freut Sie nicht. Im Foyer, sag ich. Auf,
auf!«
    »Baier …« Gerhard überlegte kurz, ob Baier womöglich senil wurde
oder wunderlich oder beides. Er verwarf den Gedanken aber wieder. Selbst wenn
der Rest der Welt dem Wahnsinn anheimfallen würde, Baier würde seine Klarsicht
bewahren. Und sein brummiges Auftreten, hinter dem sich ein brillanter
Beobachter und Kriminalist verbarg. »Baier«, hob er erneut an, »wer sitzt in
welchem Foyer? Welcher Raiba?«
    »Na, der Tote. Er sitzt in Peiting im Foyer der Raiffeisenbank. Sind
Sie besoffen? Oder noch nicht wach? Jetzt schwingen Sie die Hufe.«
    Zweierlei irritierte Gerhard: Baier sprach in ganzen Sätzen, was er
selten tat, und »Schwingen Sie die Hufe« war so gar nicht sein Jargon.
    Gerhard sah auf die Uhr. Baier war ein Witzbold. Es war sechs, es
war ja noch nicht mal richtig Tag.
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