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Tod in der Walpurgisnacht

Tod in der Walpurgisnacht

Titel: Tod in der Walpurgisnacht
Autoren: K Wahlberg
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wo sie saß, gab es kein Fenster, das man hätte öffnen können. Sie hatte die Deckenlampe ausgemacht, um die Wärme zu verringern. Die Dunkelheit gab ihr Sicherheit. Sie saß auf dem Fußboden. Der Kopf lehnte schwer an der Wand, die Arme hingen schlaff herunter, die Hände lagen geöffnet im Schoß. Die Handflächen waren feucht und klebrig und dampften vor Hitze. Sie atmete ruhig und nicht zu tief, sie wollte vermeiden, dass sie hyperventilierte und in Ohnmacht fiel. Die ganze Zeit spitzte sie die Ohren.
    Alles wird gut, sagte sie zu sich selbst. Was sollte sie sonst auch denken? Ruhig bleiben.
    Ich kann, wenn ich will. Das hier wird gut werden. Hilda wiederholte das wie ein Mantra. Außerdem gab es zwei Menschen, die sie vermissen würden. Erst einmal Sam. Er wartete auf sie.
    Und dann Jens, der sich wundern würde, wenn sie nicht ans Handy ging. Hoffentlich nahm er das nicht nur als Zeichen dafür, dass er ihr egal sei. Er fand sie ja manchmal etwas geheimnisvoll.
    Ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt. Sie war ein wenig eingedöst, doch jetzt schlug ihr Herz umso schneller, und sie hob den Kopf, blieb aber am Boden sitzen. Bereit, alles ganz ruhig zu nehmen und nicht das schüchterne Tier zu provozieren, das da hervorgeschaut hatte.
    Wahrscheinlich hatte Mattias einiges in der Hütte zu tun, vielleicht musste er neues Gemenge ansetzen. Er hatte wahrscheinlich schon einige Kollegen abgelöst, die gegangen waren, ohne zu wissen, dass sie hier saß. So könnte es gewesen sein. Natürlich hatte die Hütte mehrere Eingänge.
    Jetzt stand er breitbeinig mit verschränkten Armen da und starrte sie an, als wisse er nicht so recht, was er mit ihr anfangen sollte. Sie erinnerte sich an ihn als einen Jungen, der selten etwas mitmachte, sondern meist nur zuschaute. Doch diesmal nicht. Er bestimmte. Die Schweigsamen und Unsicheren, die eines Tages Rache nahmen, waren bedrohlich.
    Sie musste sich retten. Vielleicht wollte er nur mit ihr reden, als er sie da an der Allmende gesehen hatte, und alles war erst auf die schiefe Bahn geraten, als sie sich ins Auto gesetzt und er hinter dem Steuer das Kommando übernommen hatte. Hatte er ihr Unbehagen und ihren Unwillen, mit ihm zu fahren, gespürt?
    Sie hatte ihn abgewiesen, aber er hatte sich geweigert, das Nein zu akzeptieren. Und so kam es, dass sie planlos auf verschlungenen, einsamen Wegen gefahren waren. Es gab so vieles im Leben, das sich so erklärte. »Es ist einfach passiert!« Sogar schwere Verbrechen passierten »einfach«, das wurde ihr schlagartig klar. Der Kopf machte nicht mehr mit, und die Gefühle kochten hoch. Das Messer kam raus, obwohl es besser in der Scheide geblieben wäre, die Schläge hämmerten weiter, obwohl sie aufhören sollten. Die Sinne drehten durch.
    Doch sie wollte leben. Noch nie wollte sie so sehr leben wie jetzt. Sie befeuchtete ihre Lippen und lächelte so gut es ging. Er hatte das Licht angemacht, sie kniff die Augen zusammen und drehte den Kopf nach oben.
    »Du, sag mal, wenn du mich hier rauslässt, dann gehe ich nach Hause und tue so, als wäre nichts geschehen, das verspreche ich«, versuchte sie zu verhandeln. »Ich meine, es ist ja auch nichts geschehen«, fügte sie hinzu und zwang den Mund zu einem noch breiteren Lächeln, während sie den Kopf freundlich schräg legte.
    Sie glaubte allerdings nicht, dass er auf den Vorschlag eingehen würde, denn sie hörte selbst, wie lächerlich das klang.
    »Für wie blöd hältst du mich?«, fragte er, ohne Anstalten zu machen, mit ihr diskutieren zu wollen.
    »Aber«, sagte sie und legte den Kopf wieder schief, »was hast du eigentlich gegen mich?«
    »Alles«, antwortete er kurz angebunden.
    »Aber Sam …«
    »Er ist genauso von Vater drangsaliert worden wie ich. Samuel ist nett zu mir!«
    Mehr Worte wurden nicht gesagt. Als hätten sie schon im Auto genug miteinander geredet. Der Gesprächsstoff war erschöpft.
    Sie runzelte die Stirn und sah aus, als würde sie ihn nicht ganz verstehen, was auch zutraf. Doch sie ahnte umso mehr. Wahrscheinlich hatte er niemals innige und echte Aufmerksamkeit bekommen, die ihn hätte erfüllen können. Sie erinnerte sich, dass die Stimmung im Hause Skoglund immer kühl wie in einem Keller war. Und dann die Geheimnisse. Der Fluch von Skogis lag auf allem.
    Wer in Hjortfors hatte eigentlich alles gewusst, was er da machte? Es war doch der Klassiker: Niemand fragte die Kinder, niemand sprach mit ihnen.
    »Mein Gott, was bin ich neidisch auf dich und deinen
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