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Tod in den Wolken

Tod in den Wolken

Titel: Tod in den Wolken
Autoren: Agatha Christie
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weitere Auskünfte verweigern zu wollen. Doch als Fournier sich auswies, änderte sich sein Verhalten.
    Nein, die Dame habe keine Adresse hinterlassen. Und die Abreise sei plötzlich erfolgt, da Mrs Richards ursprünglich von einem achttägigen Aufenthalt gesprochen habe.
    Weitere Fragen. Die Liftboys wurden gerufen, der Hausknecht, die Zimmermädchen, schließlich auch der Empfangschef.
    Dieser gab an, ein Herr sei gekommen, während die Dame in der Stadt gewesen sei; er habe auf sie gewartet und dann zusammen mit ihr gespeist. Was für ein Herr? Ein Amerikaner, unverkennbar ein Amerikaner, dessen Eintreffen sie offenbar überrascht habe. Nach dem Essen habe die Dame befohlen, man möge ihr Gepäck herunterschaffen und in ein Taxi bringen. Wohin sie gefahren sei? Zum Gare du Nord – wenigstens hatte sie das dem Fahrer zugerufen. Und der Amerikaner? Nein, sie war allein fortgefahren.
    «Gare du Nord», sagte Fournier. «Das könnte England bedeuten, den Zwei-Uhr-Schnellzug. Möglicherweise ist es aber auch eine Finte. Wir müssen nach Boulogne telefonieren und außerdem jenes Taxi aufspüren.»
    Es sah so aus, als habe Poirots Angst nun auch von Fournier Besitz ergriffen, und rasch und umsichtig setzte er die Räder des Gesetzes in Bewegung.
     
    Gegen fünf Uhr sah Jane Grey, die mit einem Buch in der Hotelhalle saß, Poirot kommen und öffnete den Mund zu ein paar vorwurfsvollen Worten. Aber sie sprach sie nicht aus. Irgendetwas in seinem Gesicht ließ sie schweigen.
    «Das Leben ist schrecklich, Mademoiselle», sagte er und nahm ihre beiden Hände in die seinen.
    «Was ist geschehen?», fragte sie verstört.
    «Man hat in Boulogne eine Frau tot aufgefunden, im England-Expreß, in einem Abteil erster Klasse…»
    Janes Gesicht wurde schneeweiß.
    «Anne Morisot?»
    «Ja, Anne Morisot. Mit der rechten Hand umkrampfte sie eine kleine blaue Glasflasche, die Blausäure enthalten hatte.»
    «Selbstmord also?»
    Hercule Poirot schob die Antwort ein paar Sekunden hinaus. Dann sagte er mit der Miene eines Menschen, der seine Worte sorgfältig wählt: «Ja, die Polizei denkt, es sei Selbstmord.»
    «Und Sie?»
    «Was kann man denn sonst denken…?»
    «Aber warum hat sie sich getötet? Aus Gewissensbissen? Oder weil sie Entdeckung fürchtete?»
    Der Belgier schüttelte langsam den Kopf.
    «Das Leben, Mademoiselle, kann entsetzlich grausam sein. Man braucht ungeheuer viel Mut dazu.»
    «Um sich zu töten? Ja, sicher gehört Mut dazu», sagte Jane leise.
    «Auch um zu leben, braucht man Mut.»

 
26
     
    Am nächsten Tag verließ Poirot Paris, während Jane mit einer langen Liste zu erledigender Dinge zurückblieb. Die meisten davon kamen ihr ziemlich sinnlos vor, trotzdem führte sie alles nach besten Kräften aus. Jean Dupont sah sie zweimal. Er erwähnte die Expedition, an der sie teilnehmen sollte, und da Jane nicht wagte, ihn ohne Rücksprache mit Poirot vor der Zeit zu enttäuschen, machte sie gute Miene zum bösen Spiel und lenkte die Unterhaltung auf weniger verfängliche Dinge. Fünf Tage später rief sie ein Telegramm nach England zurück. Norman holte sie am Bahnhof ab, und sie besprachen die letzten Ereignisse. Der Selbstmord hatte wenig Staub aufgewirbelt. Die Zeitungen brachten eine unscheinbare Notiz, dass im Schnellzug Paris – Boulogne eine kanadische Dame, Mrs Richards, sich das Leben genommen habe. Aber ein Zusammenhang mit dem Mord im Flugzeug wurde nicht erwähnt.
    Beide, Norman Gale und Jane, sahen die Zukunft in etwas rosigerem Licht, weil sie hofften, dass die Belästigungen nun zu Ende sein würden. Norman allerdings war nicht ganz so zuversichtlich wie Jane.
    «Sie mögen Anne Morisot der Ermordung ihrer Mutter verdächtigt haben», führte er aus, «doch nun, da sie allem aus dem Weg gegangen ist, wird man sich wohl kaum die Mühe machen, den Fall weiterzuverfolgen. Und solange die Sache vor der Öffentlichkeit nicht ganz klar liegt, sehe ich nicht, dass uns armen Teufeln geholfen ist. In den Augen der Öffentlichkeit haftet der Verdacht noch genauso an uns wie früher.»
    Ähnlich äußerte er sich auch, als er einige Tage später Poirot im Piccadilly-Hotel traf. Der Detektiv lächelte.
    «Sie sind um nichts besser als die übrigen; Sie denken, ich sei ein alter Mann, der nichts mehr leistet. Hören Sie: Heute Abend lade ich Sie zum Essen ein. Japp kommt und auch unser Freund Monsieur Clancy. Ich habe Verschiedenes zu erzählen, was für Sie ebenfalls interessant sein dürfte.»
    Das Essen
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