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Tod im Tauerntunnel

Tod im Tauerntunnel

Titel: Tod im Tauerntunnel
Autoren: Felix Huby
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telefonieren?«
    »Sie fangen ja an, Höflichkeit zu entwickeln«, grinst Bäuerle.
    Bienzle gibt seinen Einsatzplan durch. Sieben Minuten später fahren zwei Polizeiwagen gleichzeitig aus entgegengesetzter Richtung in die Straße ein, mit kreischenden Bremsen halten sie vor und hinter dem weißen Mercedes, so daß keine Zeitung mehr zwischen die Stoßstangen passen würde.
    Bienzle und Bäuerle sehen vom Fenster aus zu, wie je zwei junge Beamte aus ihren Wagen spurten, einer von ihnen den Schlag aufreißt und den Fahrer herauszieht.
    Bienzle geht hinaus, schaut dem Festgenommenen ins Gesicht und fragt: »Name? Alter? Beruf?«
    »Antonio Breda, 26, Kellner«, sagt der verdutzte Mann.
    »Italiener?«
    »Ja.«
    »Beschäftigt wo?«
    »Pizzeria La Fontana.«
    »Und das heißt zu deutsch so etwas wie Quelle?« fragt Bienzle.
    »Si, si.«
    »Der ist nur ein kleiner Fisch«, sagt Bienzle zu den Beamten, und zu dem Kellner: »Pesce piccolo.«
    »Ich spreche fließend deutsch«, sagt der Kellner, und daran hat Bienzle auch keinen Moment gezweifelt. Er bittet die Beamten, die Personalien aufzunehmen und den Kellner dann laufenzulassen. Und zu Breda sagt er: »Paß auf, mein Junge…« Er hält inne; dann: »Entschuldigung; ich fange auch schon an, fremde Menschen zu duzen, nur weil sie Gastarbeiter sind. Also: Passen Sie auf; ich gebe Ihnen einen guten Rat. Ich habe Sie nicht gesehen, die Kollegen hier auch nicht. Sie erzählen dem, der Sie geschickt hat - ich will gar nicht wissen, wer es ist… also Sie sagen ihm, daß Sie den Auftrag ausgeführt haben. Erzählen Sie ihm ruhig, daß ich den Herrn Bäuerle aufgesucht habe und so weiter. Aber nichts davon, daß wir Sie ertappt haben. Ist das klar?«
    Der Italiener kratzt sich am Kopf, antwortet aber nicht.
    »Das muß Ihnen doch klar sein! Wenn Sie einen Scheiß bauen, kriegen Sie Schwierigkeiten mit Ihrem Boss. Womöglich knallt der Sie ab, wenn er weiß, daß Sie Kontakt mit der Polizei hatten. Also Sie tun so, als ob nichts gewesen wäre. Und wenn Sie doch von meinem Besuch bei Bäuerle berichten, wird der Boss sagen, va bene oder wie das heißt, und Sie werden ein paar Lire Zulage bekommen... Ich helfe Ihnen ja dabei. Ich will gar nichts wissen - nicht wer Sie schickt und nicht was dahinter steckt. Das ist mein Job, das auch ohne Sie rauszukriegen. Sie sollen nur verschweigen, daß Sie von uns erwischt worden sind... Ist doch im gemeinsamen Interesse, oder?«
    »Jaaa...« Antonio Breda nickt langsam. »Ich wäre Ihnen aber dankbar, wenn Sie nicht morgen in unserer Pizzeria auftauchen und Fragen stellen würden.«
    Bienzle muß ein Lächeln unterdrücken.
    Und jetzt duzt er ihn doch: »Junge, das ist doch Ehrensache! Ich werd vielleicht bei euch mal reinschauen - aber nur, um Pizza zu essen ...« Dann entschuldigt er sich noch einmal. »Wenn Sie wollen, können Sie auch du zu mir sagen.«
    Es ist zwei Uhr nachts. Bienzle fährt auf der Bundesstraße 27 in Richtung Tübingen. Im Sieben-Mühlen-Tal hängt ein leichter Nebel.
    Er weiß nicht, warum er hier fährt. Eigentlich gehört er nach Hause ins Bett. Aber die Strecke kennt er im Schlaf, und da kann er ja auch noch ein Stück weiterfahren, obwohl er ins Bett gehört.
    Im Radio hört er Musik, ohne zuzuhören, bis die ersten Akkorde einer Gitarre ihn wecken. ›Jeux interdits‹; Narciso Yepes spielt. Nur einer spielt so Gitarre. Als ob ein Schrammelmusiker und ein Wiener Symphoniker sich zusammengetan hätten, um spanische Musik zu machen. Narciso Yepes spielt Bach auf der Gitarre wie einen Wiener Walzer, und ›Jeux interdits‹ ist sein schönstes Stück... Du bist sentimental, denkt Bienzle und fährt an Steinenbronn vorbei. Es geht ihm wie bei seinem ersten Opernbesuch: er konnte nur an eines denken: die sollen nicht aufhören, Musik zu machen. Dreizehn war er, und seine acht Jahre ältere Schwester hatte ihn mitgenommen. Sie liebten sich damals, er und seine Schwester. Oder vielmehr, er liebte sie.
    Ernst Bienzle nähert sich seinem Heimatort. Da war er geboren und aufgewachsen. Im alten, häßlichen, backsteinernen Schulhaus von Dettenhausen. Seine Kindheit zwischen dem Geruch geölter Klassenzimmerfußböden, der auch in die Wohnung drang, und dem großen Wald, durch den er tagelang streifen konnte, war glücklich gewesen - oder bildete er sich das nur ein? Jetzt spielt er Dettenhausen in Stuttgart; ohne besonderen Erfolg, was ihn selbst betrifft... Er denkt an Hannelore Schmiedinger.
    Da liegt das Dorf,
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