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Tod im Tal der Heiden

Tod im Tal der Heiden

Titel: Tod im Tal der Heiden
Autoren: Aufbau
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nahenden Bedrohung, veranlaßt. Nur ein einziges Tier knabberte weiter an Ginster und Heidekraut, anscheinend ungerührt von der Angst, die die anderen Tiere ergriffen hatte. Auf einem Felsvorsprung stand eine kleine zottige, trittsichere Wildziege mit langen Hörnern. Rhythmisch kauend behielt sie ihre gleichgültige, teilnahmslose Haltung bei.
    In der Tiefe war das Tal teilweise mit einem Dickicht aus Büschen und Bäumen bedeckt. Es erstreckte sich vom Nordende des Tals herab und reichte bis auf fünfzig Meter ans Seeufer heran, während niedriger Ginster und Heide den übrigen Talboden bedeckten. Das Dickicht bestand weitgehend aus dem dornigen Gestrüpp des Schlehdorns mit seinen gezähnten harten Zweigen, die sich kaum von den Kirsch-Pflaumen unterschieden, die dazwischen wuchsen und sich mit den dicken Stämmen, starken Ästen und ausladenden Kronen der Zwergeichen vermischten. Von dem schmalen, dunklen Pfad durch dieses Dickicht kam ein Geräusch, das anzeigte, daß sich jemand rasch durch die hinderlichen Zweige und fesselnden Ranken zwängte.
    Aus dem Dickicht stürmte ein junger Mann. Er blieb stehen und bemühte sich vergeblich, den unregelmäßigen, keuchenden Atem zu beruhigen, der seinen Brustkorb hob und senkte. Entsetzen weitete seine Augen, als er das breite, deckungslose Tal überblickte, dessen Seiten sanft zu denfelsübersäten Hügeln anstiegen. Mit einem leisen verzweifelten Stöhnen sah er sich in der kahlen Landschaft nach einem Versteck um. Er wandte sich wieder dem Dickicht zu, doch die Verfolger waren darin zwar noch nicht in Sicht, aber deutlich zu hören. Das Bellen der Hunde ging in aufgeregtes Jaulen über, als sie spürten, wie nahe sie ihrer Beute waren.
    In düsterer Hilflosigkeit lief der junge Mann stolpernd weiter. Er trug ein langes Gewand aus grobem braunem Wollstoff, eine Mönchskutte. Es war zerfetzt, und ein paar Dornenranken hingen daran, die sich in dem festen Stoff verfangen hatten, ohne ihn zerreißen zu können. Schmutz und auch Blut aus den von Dornen verletzten Stellen befleckten die Kleidung. Noch zwei Dinge außer der Kutte wiesen den jungen Mann als Mönch aus. Erstens trug er das Haar von der Stirn bis zu einer Linie von Ohr zu Ohr geschoren und hinten lang, nach der Tonsur des heiligen Johannes, wie sie die Mönche in Irland bevorzugten. Zweitens hing ihm eine Silberkette mit einem silbernen Kruzifix um den Hals.
    Er mochte Anfang zwanzig sein und wäre hübsch gewesen, wenn nicht die Angst seine Züge verzerrt und sein Gesicht nicht die Kratzwunden des Dickichts getragen hätte. Seine roten Wangen bluteten. Vor allem aber war es die Panik in seinen großen dunklen Augen, die sein Gesicht entstellte. Er hatte sich völlig der Furcht überlassen, die ebenso aus seinem Körper quoll wie der Schweiß.
    Mit einem erstickten Schrei drehte er sich um und lief mit hochgerafftem Gewand auf den See zu. Seine Sandalen hatte er längst verloren. Seine bloßen, aufgerissenen Füße starrten von Schmutz und Blut. Auf die Schmerzen achtete ernicht, der Schmerz erreichte sein Denken nicht mehr. Um den linken Knöchel trug er einen eisernen Ring, wie er bei Geiseln oder Sklaven üblich war, denn an der Seite hatte er eine Öse, durch die eine Kette oder ein Strick geführt werden konnte.
    Schon nach wenigen Schritten merkte der junge Mann, daß der See ihm keinen Schutz bot. Dort wuchsen nur ein paar Büsche, nichts weiter. Er hatte so lange den Tieren als Tränke gedient, daß nicht einmal langes Gras oder Ginster übriggeblieben waren. Alles war zu kurzen Stoppeln abgeweidet worden. Nirgends gab es ein Versteck.
    Mit einem seltsamen, verzweifelten Klagelaut blieb der junge Mann stehen und hob hilflos die Arme. Dann lief er auf den Berghang zu, auf dem die Wildziege immer noch ungerührt dastand. Beim Emporklettern trat er sich auf den zerrissenen Saum seiner Kutte und stürzte schwer zu Boden. Benommen blieb er liegen.
    In diesem Augenblick kamen die ersten Verfolger aus dem Wald hervor.
    Drei Männer liefen voran, jeder mit einer großen Bulldogge an der Leine, die ihn mit triefenden Lefzen vorwärtszog und eifrig jaulte beim Anblick des gehetzten Wildes. Die drei Jäger verteilten sich etwas, aber der junge Mann war zu erschöpft zu weiterer Flucht. Er stützte sich auf einen Arm und sah halb liegend, halb sitzend und außer Atem den Männern entgegen. Furchtsame Resignation spiegelte sich in seinen Zügen.
    »Laßt die Hunde nicht los«, rief er mit schwacher, angstvoller
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