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Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub
Autoren: Brian W. Aldiss
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anliefen. In früheren Zeiten - so habe ich gelesen - war ein Hafen ein überaus geschäftiger Platz, schmutzig vielleicht, aber von menschlichem Leben erfüllt. Heute ist ein Dock nichts als ein riesiger Schlund aus Metall. Man fährt hinein und wird von Maschinerie verschluckt. Maschinen löschen die Fracht, Maschinen karren die neuen Vorräte an tiefgefrorenen Lebensmitteln heran. Maschinen speisen die neuen Steuer- und Kursanweisungen ein. Maschinen sorgen dafür, daß man sich so schnell wie möglich wieder auf den Weg macht.
    Es gibt nur noch wenige Häfen. Die großen Docks wickeln den Handel so rasch ab (und werden das weiterhin tun, bis es keinen Handel mehr gibt). Dank menschlicher Unzulänglichkeit und Einrichtungen, wie es die Gewerkschaften waren, lag man früher lange im Hafen und bekam Landurlaub, bevor man wieder auf Fahrt ging. Heute ist das anders. Der ganze unheimlich anmutende Vorgang des automatischen Ent- und Beladens dauert nur zwei Stunden. Dann ist man wieder unterwegs ins ewige Exil, oft ohne eine Menschenseele zu Gesicht bekommen zu haben - obwohl man genau weiß, daß das Land total überbevölkert ist. Das ist ein merkwürdiger Aspekt meiner Arbeit. Man ist ewig allein in einer Welt, in der Einsamkeit das seltenste Gut ist.
    Der Hunger war die Kraft, welche die Häfen zu größerer Arbeitsleistung antrieb, viel mehr der Hunger als die Automatisierung. Aber die Erklärung, wieso es selbst in Ländern wie Amerika und den Staaten von Europa zu einer derartigen Lebensmittelknappheit kommen konnte, ist komplizierter.
    Oft, wenn ich in meiner Koje lag und mich mit Thunderpeck unterhielt, habe ich versucht, die Lösung dieses Rätsels zu finden. Wir sind beide gebildete Männer, aber ich kann auch lesen und weiß aus Büchern Dinge, von denen er nie etwas gehört hat. Aber selbst dieses Wissen reicht nicht als Erklärung dafür aus, wie unsere Vorfahren so töricht sein und ihre Reichtümer so verschleudern konnten, wie sie es getan hatten. Natürlich ist uns die Mentalität der Menschen im Zeitalter der Verschwendung, das vom 18. bis zum 21. Jahrhundert dauerte, völlig fremd.
    Und ich pflegte das zu wiederholen, was March Jordill zu mir gesagt hatte. Vielleicht hatte er recht gehabt, vielleicht auch nicht; aber bis zu jenem Zeitpunkt war er der einzige Mann, den ich jemals getroffen hatte, dem man überhaupt ein eigenes Urteil zutrauen konnte.
    »Wir wissen nicht, wie es früher in der Welt aussah, mein Junge«, sagte er. »Aber aus den alten Büchern scheint hervorzugehen, daß die Weltbevölkerung im zwanzigsten Jahrhundert explosiv zunahm. Das führte in Hungergebieten wie dem Fernen und dem Mittleren Osten - also in Ländern auf der anderen Seite von Afrika - zu akuten Krisen. Sie hätten die Lebensmittelerzeugung um das Vierfache steigern müssen, damit alle satt hätten werden können, und das gelang natürlich nicht. Der kritische Faktor war das Wasser.«
    »Braucht man denn Wasser für die Ernährung?«
    »Natürlich braucht man das! Wasser ebenso wie feste Nahrungsmittel. Eines Tages wirst du vielleicht Gelegenheit haben, die Hintergründe zu erkennen, und dann wirst du alles verstehen. Länder wie Amerika und Australien-Neuseeland mußten überproduzieren, um die Menschen in anderen Teilen der Welt mitzuernähren, aber dadurch schadeten sie nur sich selbst. Und wenn ein Land erst einmal in Unordnung gerät, wenn seine Wirtschaftsstruktur erschüttert ist, dann ist es sehr schwer, den Niedergang aufzuhalten. Länder können krank werden, genau wie Menschen, das ist die ganze Tragödie unserer Zeit. Dann kam die durch die Pille ausgelöste schwere Krise, als sich die Langzeitwirkung von Progesteron bemerkbar machte, nach der die afrikanischen Völker die politische Führung übernehmen konnten. Geschichte ist wirklich eine komische Sache, Knowle, und das Komischste daran ist, daß man immer zu dem Glauben neigt, es sei alles vorbei, und dann kommt erst das dicke Ende nach.«
    So hatte March Jordill sich ungefähr ausgedrückt. Er half mir zu begreifen, weshalb die Regierenden die Vergangenheit so gründlich wie möglich in Vergessenheit geraten ließen. Ich lernte nur durch Zufall etwas über die alten Zeiten, aber es bedrückte mich nur.
    Als mir diese Erkenntnis kam, fühlte ich mich sehr niedergeschlagen und suchte Gesellschaft. Ich ging in den Aufenthaltsraum hinunter. Dort spielten Thunderpeck und Di Skumpsby Ky-Billard.
    Beim Anblick von Dis Gesicht blieb ich stehen.
    Er runzelte
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