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Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub
Autoren: Brian W. Aldiss
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die Stirn, als er mein Entsetzen sah. »Das ist nur ein vorübergehender Ausschlag«, sagte er, »und nicht ansteckend.« Sein Gesicht war von scharlachroten Flecken übersät. Er zog eine Schulter etwas hoch, um einen Teil seines Gesichts zu verdecken.
    »Nur ein Anflug von Leichenallergie«, sagte Thunderpeck. »Morgen ist Di wieder völlig in Ordnung.«
    »Leichenallergie«, wiederholte ich. Und ich hatte mich mit dem Kadaver auf dem Boden herumgewälzt! Unwillkürlich befühlte ich mein Gesicht. Als ich die Hand hob, sah ich die Gestalt des Toten hinter Di und dem Arzt stehen.
    Mir braucht niemand zu sagen, wie teuflisch schlau diese Erscheinung mit dem schrecklichen Gesicht ist! Sie stand völlig unbeweglich an der gegenüberliegenden Tür, die Arme über der Brust gekreuzt, und obwohl sie uns ihr Profil zuwandte, beobachtete sie mich über die Wölbung des Backenknochens hinweg. Ich sagte leise zu den beiden anderen: »Wissen Sie eigentlich, daß wir beobachtet werden? Der unheilvolle Bote des Todes ist wieder da.«
    »Das ist nichts weiter als eine Manifestation ihres Schuldkomplexes«, sagte Thunderpeck, indem er einen verstohlenen Blick über seine Schulter warf. »Sie fühlen sich schuldbewußt, weil Sie den Wanderer Jess verraten haben.« Er hat das Gespenst schon mehr als einmal gesehen, aber jedesmal leugnet er, daß er es sehen kann. Das ist seine Form des Krankseins. Auch die Ärzte sind krank.
    Di sah es. Er stieß einen Schrei aus, der einem das Blut in den Adern gerinnen ließ, schleuderte sein Queue gegen die Gestalt und rannte ihr nach. Sie verschwand durch die Tür. Di folgte ihr, ich folgte Di, und Thunderpeck kam als letzter, wobei er uns zurief, wir sollten nicht so töricht sein. Wir rasten die Kajütentreppe hinauf.
    Die Gestalt eilte uns auf das Deck voraus, trat ins Sonnenlicht und verschwand. Di und ich setzten uns auf die nächste Ladeluke und starrten uns an.
    »Eines Tages wird sie mich bestimmt erwischen«, prophezeite ich.
    »Unsinn, es ist das Schiff, hinter dem sie her ist«, sagte Di. »Es ist unzweifelhaft ein böses Zeichen dafür, daß uns ein Schiffbruch bevorsteht. Dieses Schiff ist vom Unheil verfolgt.«
    »Sie reden beide Blödsinn«, sagte Thunderpeck. Er setzte sich zwischen uns und wischte sich über sein großes Gesicht. »Anscheinend streiten Sie sich nur darum, wer von Ihnen der Verrücktere ist. Zugegeben, jeder von uns hat seine fixen Ideen, und manche davon können sogar eine sehr reale Form annehmen. Ich sehe, es ist wieder einmal Zeit, daß ich Ihnen meinen Standardvortrag halte.«
    »Nicht den über meinen unbewußten Schuldkomplex«, bat ich.
    »Und nicht den über meine Suche nach einer Vaterfigur«, schloß Di sich an.
    »Ich muß aber etwas darauf eingehen«, sagte Thunderpeck. »Die Menschen sind zu allen Zeiten von irrationalen Ängsten geplagt worden. Manchmal haben sie sogar Systeme ausgearbeitet, mit denen sie versuchten, das Irrationale zu rationalisieren, und dies kann man nur als einen magischen Prozeß betrachten. Wenn dieser magische Prozeß überhaupt wirksam wird, dann deshalb, weil es in den Bewußtseinsebenen eines jeden Menschen eine Schicht gibt, wo der Wunsch gleichbedeutend mit der Tat ist - wo der Wille die Tat ist. Diese Schicht sitzt normalerweise ziemlich tief, aber manchmal steigt sie aus dem einen oder anderen Grund immer höher ins Bewußtsein auf und wird dominierend. So ist es zum Beispiel, wenn man krank ist. Bei Kranken verwirren sich Wille und Tat hoffnungslos - und daraus entstehen Ihre Halluzinationen, Knowle.
    Nicht nur der einzelne, sondern auch ganze Gemeinschaften können krank sein. Für die Krankheit einer Gemeinschaft gibt es verschiedene Gründe, die jedoch häufig mit einem niedrigen Ernährungszustand verbunden sind. Die Hexerei in den westlichen Ländern kann mit einer allgemein verbreiteten übermäßigen Abhängigkeit von der Kartoffel in Zusammenhang gebracht werden, Voodoo mit einem Mangel an wichtigen Salzen, der Geisterkult auf den Salomonen mit einem Mangel an Vitamin B und so weiter.
    Wir haben das Unglück, in einer Periode der Unterernährung zu leben, die zu den schlimmsten in der Geschichte der Menschheit gehört. Es gibt zwar ausreichende Mengen von Nahrungsmitteln, doch bestehen diese zum größten Teil aus tödlichen Giftstoffen. Jedesmal, wenn wir essen, führen wir unserem Organismus Toxine zu, und das führt natürlich zu entsprechenden psychischen Reaktionen.«
    Ich hatte ihn eigentlich geduldig
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