Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras
Autoren: Gisa Pauly
Vom Netzwerk:
besten schon in den Süder Wung«, raunte Erik seinem
Assistenten zu, als sie die Wohnung verließen. »Ich bringe Frau Jesse in die
Nordseeklinik und komme dann nach.«
    Sören sah blass und mitgenommen aus, als Erik am Süder
Wung eintraf. Kraftlos saß er am Küchentisch, die Hände auf der Tischplatte
gefaltet, als wollte er im Schnellverfahren und in angenehmer Gesellschaft den
versäumten Sonntagsgottesdienst nachholen. Als Erik die Küche betrat, richtete
er sich auf und sah ihn erwartungsvoll an. Doch Erik zeigte mit einer knappen
Handbewegung an, dass er später mit ihm reden wolle, nach dem Essen und unter
vier Augen.
    Â»Was ist los, Sören?«, fragte er stattdessen und gab sich so
aufgeräumt, als hätte es nie einen Schwerverletzten im Dünengras gegeben.
»Steckt Ihnen der Junggesellenabschied noch immer in den Knochen?«
    Sören nickte vage. »Aber wenn ich Ihrer Schwiegermutter beim Kochen
zusehen darf, vergesse ich glatt meinen Kater.«
    Mamma Carlotta strahlte dankbar, während sie die Antipasti auf einer
Platte anrichtete. Sie schien den ersten Schock des Tages verkraftet zu haben,
was Erik insgeheim wunderte. Normalerweise bemühte sich seine Schwiegermutter
nicht um die schnelle Bewältigung eines Dramas. Sie musste es lange drehen und
wenden und sämtliche Eventualitäten und Konsequenzen erwägen. Erst wenn es ihr
kein lautes »Madonna!« mehr entlockte, konnte man hoffen, dass sie bereit war,
die Fakten ruhen zu lassen. Heute schien es schneller zu gehen. Anscheinend war
ihr nicht aufgegangen, wie schlimm es um Henner Jesse stand.
    Â»Du siehst erleichtert aus, Enrico! Ist der Mann doch nicht so
schwer verletzt, wie es den Anschein hatte?«
    Erik nickte, ohne seine Schwiegermutter anzusehen. »Er kommt wieder
auf die Beine.«
    Â»Und weißt du schon, wer ihn so zugerichtet hat?«
    Â»Wenn er bei Bewusstsein ist, wird er es uns erklären.«
    Damit war Mamma Carlotta zu seinem Erstaunen fürs Erste zufrieden.
Das ließ nur einen Schluss zu: In der Zwischenzeit hatte sich eine weitere
Sensation angebahnt.
    Und da kam sie auch schon! »Sören war so freundlich, mich zu
beraten, Enrico!«, rief sie mit leuchtenden Augen und schien zu erwarten, dass
er wusste, wovon sie sprach. »Ist das nicht reizend?«
    Irgendetwas hatte sich in der letzten Stunde ereignet, das noch
spektakulärer war als ein zusammengeschlagener Mann am Strand. Erik wusste,
dass er nicht genauer nachfragen musste – er würde in wenigen Minuten über
alles genauestens Bescheid wissen. Er setzte sich und versuchte sich nicht
anmerken zu lassen, wie wohl es ihm tat, sich an einem gedeckten Tisch
niederzulassen. Hätte er geäußert, wie sehr er das genoss, hätte Mamma
Carlottas Entzücken über eine derart emotionale Äußerung vermutlich die
Antipasti vom Tisch gefegt. Womöglich müsste er sich dann sogar herzen und
küssen lassen. Nur das nicht!
    Â»Wobei konnten Sie meine Schwiegermutter beraten, Sören?«
    Â»Bei der Auswahl des richtigen Liedes«, antwortete Mamma Carlotta an
Sörens Stelle und holte die Panini aus dem Ofen, die zu den Antipasti serviert
werden sollten.
    Â»Ich wusste gar nicht, dass Ihre Schwiegermutter eine so schöne
Stimme hat«, meinte Sören und sah seinen Chef an, als wäre ihm ernst, was er
sagte. »Es ist nett, wenn während des Kochens gesungen wird, finden Sie nicht
auch?«
    Sören wusste ganz genau, was sein Chef von der Singerei hielt, die
zurzeit sein Haus und seine Ruhe erschütterte. Daher glaubte Erik, aus Sörens
Worten die verschlüsselte Botschaft herauszuhören, dass er ebenfalls gern von
dem Gesang verschont geblieben wäre, der Qualität der Mittagsmahlzeit zuliebe
jedoch vor keiner Lobhudelei zurückschreckte. Wahrscheinlich wirkte er gar
nicht wegen des vorabendlichen Alkoholgenusses so mitgenommen, sondern weil er
seit einer geschlagenen Stunde etwas vorgesungen bekam.
    Erik schenkte seinem Assistenten ein warmes Lächeln. Die Tatsache,
dass er mit seiner jähen Abneigung gegen Chorgesang anscheinend nicht allein
war, tröstete ihn darüber hinweg, dass er die Hälfte dieses Sonntags mit seiner
Arbeit verbringen musste.
    Freundlich fragte er seine Schwiegermutter: »Und welches Lied ist
nach Sörens Meinung geeignet?«
    Â»Er hat mir vom Ave Maria abgeraten«, berichtete Mamma
Carlotta, während
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher