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Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras
Autoren: Gisa Pauly
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fragende, verständnisinnige, komplizenhafte. Als
Erik sich dann erhob, auf seinen Magen klopfte und behauptete, er müsse noch
vor dem Grappa ein paar Schritte im Garten tun, um seine Verdauung anzuregen,
behauptete Sören sofort, dass auch ihm ein wenig Bewegung guttun würde.
    Kaum hatten sie die Terrassentür hinter sich zugezogen, fragte
Sören: »Stimmt es wirklich, dass Jesse bald wieder auf die Beine kommt?«
    Erik schüttelte den Kopf. »Er ist ins Koma gefallen. Möglich, dass
er überlebt, aber wie schwer seine Kopfverletzungen sind, können die Ärzte noch
nicht sagen.«
    Â»Und Frau Jesse? Ist sie dabei geblieben, dass er während eines
Spaziergangs überfallen und ausgeraubt worden ist?«
    Erik nickte. »Sie hat es bestimmt hundertmal wiederholt.«
    Â»So, als dürfe niemand auf die Idee kommen, dass es anders gewesen
sein könnte?«
    Erik blieb neben einem Busch stehen, als wollte er mit Sören
besprechen, wie er für den Herbst zu beschneiden sei. Nervös strich er seinen
Schnauzer glatt, wie er es immer tat, wenn er unter Anspannung stand. »Warum
haben Sie behauptet, dass Frau Jesse etwas weiß? Glauben Sie etwa, dass sie
hinter dem Anschlag auf ihren Mann steckt?« Noch ehe Sören antworten konnte,
fügte er an: »Dann vergessen Sie das am besten schnell wieder. Ich kenne die
Jesses zwar nicht gut, aber so was ist außerhalb des Möglichen.«
    Sören winkte ab. »Das weiß ich. So weit kenne ich die Familie Jesse
auch.«
    Â»Was meinen Sie dann? Frau Jesses Verhalten?«
    Sören nickte, dann ging er ein paar Schritte tiefer in den Garten
hinein. »Sie wissen doch, über welches Thema ich meine Examensarbeit
geschrieben habe.«
    Erik sah ihn erstaunt an. Ȇber die kalabrische Mafia! Was hat das
mit diesem Fall zu tun?«
    Â»Frau Jesses Verhalten ist typisch für Mafia-Opfer. Warum hat sie
ihren Mann nicht vermisst gemeldet? Weil sie längst ahnte, was mit ihm passiert
war. Aber sie schreckte vor der Lügengeschichte zurück, die sie Ihnen
auftischen musste. Warum nahm sie gleich an, dass er tot ist? Weil die Mafia so
mit den Leuten umgeht, die nicht spuren! Und was ist mit der Behauptung, ihr
Mann mache nachts manchmal Strandspaziergänge, weil er Schlafstörungen hat?
Haben Sie ihr das etwa geglaubt?«
    Erik schüttelte den Kopf. »Aber Sie wollen doch nicht etwa sagen …« Er brachte es nicht über sich, den Satz
zu Ende zu führen.
    Sören war nun derart in seinem Element, dass er ihn sowieso nicht
hätte ausreden lassen. »Warum wollte sie uns unbedingt glauben machen, ihr Mann
sei das zufällige Opfer von aggressiven Jugendlichen geworden? Weil sie Angst
hat, dass die Wahrheit ans Licht kommt und sie dann womöglich als Verräterin
dasteht! Sie will nicht, dass es ihr genauso geht wie ihrem Mann.«
    Erik legte einen Zeigefinger auf seine Lippen. Sören war in seiner
Erregung immer lauter geworden. »Sie wollen wirklich behaupten, die Mafia mache
sich auf Sylt breit?«
    Sören senkte seine Stimme nur geringfügig. »Wir müssen diese
Möglichkeit im Auge behalten. Jesse ist ein Sturkopf. Dem traue ich zu, dass er
sich querstellt. Vielleicht auch nur, weil er nicht glauben wollte, was Sie
ebenfalls nicht glauben wollen. Wenn Schutzgelderpresser bei ihm aufgetaucht
sind, dann hat er sie vielleicht nicht ernst genommen.«
    Erik merkte, dass ihm das Atmen schwer wurde. Mit einer raschen
Bewegung öffnete er seinen Hemdkragen. Dann entschloss er sich, sogar seinen
Pullunder auszuziehen, weil ihm plötzlich warm wurde. »Wir müssen die
Staatsanwältin verständigen, wenn sich der Verdacht erhärten sollte.«
    Â»Das wird schwer sein.« Sörens Stimme klang tröstend. Er wusste ja,
wie ungern sein Chef mit der Staatsanwältin zusammenarbeitete. Wenn Erik sie
anrufen musste, benötigte er manchmal eine ganze Tafel Trauben-Nuss-Schokolade
zur Nervenstärkung, wie er sagte, ehe er Frau Dr. Specks Nummer wählen konnte.
Und wenn das Gespräch dann beendet war, ärgerte er sich nicht nur über ihre
herablassende Behandlung, sondern außerdem über die unnötigen Kalorien.
    Â»Wenn es wirklich stimmt, was ich vermute«, überlegte Sören, »und
wenn sich herumspricht, was mit Henner Jesse passiert ist, dann wird es
niemanden mehr geben, der sich gegen die Forderungen der Mafia stellt.
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