Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras
Autoren: Gisa Pauly
Vom Netzwerk:
merkwürdig.«
    Carolin sah ihre Nonna ungeduldig an. »Vielleicht ist er einfach am
Strand spazieren gegangen und überfallen worden. Wenn Papa nach Hause kommt,
werden wir wissen, was vorgefallen ist.«
    Mamma Carlotta holte den Fleischklopfer und ließ ihre Erregung an
den Kalbsschnitzeln aus. »Arbeiten am Sonntag! La domenica muss Ruhe sein. Was
für eine Rücksichtslosigkeit von dem Täter, so etwas Schreckliches ausgerechnet
Samstagnacht zu erledigen! Wir müssen deinen Vater mit einem guten Essen
begrüßen, um ihn darüber hinwegzutrösten, dass er heute arbeiten muss.« Sie
schob Carolin die Fleischscheiben hin, damit ihre Enkelin sie mit dem
Parmaschinken belegte und mit kleinen Holzspießen die Salbeiblätter darauf
befestigte. Carlotta selbst nahm sich eine Knoblauchknolle vor und zerteilte
sie in viele Zehen. »Wir machen Spaghetti aglio e olio als Primo piatto. Dein
Vater liebt sie.«
    Â»Aber er liebt es nicht, nach Knoblauch zu stinken.«
    Â»Er wird die Spaghetti trotzdem essen.«
    Damit hatte Mamma Carlotta natürlich recht. Und im Polizeirevier
Westerland spielte es zurzeit keine Rolle, wenn der Chef den Geruch von
Knoblauchzehen hineintrug. Da Mamma Carlotta immer gleich am ersten Tag ihres
Aufenthaltes auf Sylt Antipasti einlegte und auch Eriks Kollegen damit
versorgte, roch es in den Revierräumen ohnehin wie in einer italienischen
Trattoria.
    Während Carlotta den Knoblauchzehen zu Leibe rückte, bewies sie mal
wieder, wie leichtfüßig ihre Gedanken von einem Thema zum anderen hüpfen
konnten. »Wusstest du übrigens, dass eine der Kassiererinnen von Feinkost Meyer
drei uneheliche Kinder von drei Vätern hat?«
    Carolin wusste es nicht. Sie war zwar auf Sylt geboren und ging bei
Feinkost Meyer ein und aus, aber davon hatte sie nie gehört.
    Â»Und der Verkäufer, der mich gestern in der Gemüseabteilung beraten
hat, kann sich nicht entschließen zu heiraten, weil seine Mutter etwas gegen
seine Verlobte hat.«
    Â»Das hat er dir erzählt?« Carolin staunte ihre Nonna unverhohlen an.
    Â»Sì! Und dann hat er mir noch verraten, dass ein früherer
Filialleiter mit zwei Verkäuferinnen gleichzeitig ein Verhältnis hatte. Obwohl
er verheiratet war!«
    Carlotta ließ ihre Empörung über die Untreue der Männer an dem
Küchenmesser aus, das ihr nicht scharf genug war. Es wurde über den Wetzstab
gezogen, als sollte damit allen Ehebrechern Angst gemacht werden.
    Welche Gedankenverbindung sie nun zum Chorgesang trug, das wusste
vermutlich nicht einmal sie selbst. »Wir hatten in unserem Dorf auch mal einen
Chor. Meistens haben wir sonntags in der Kirche gesungen. Aber manchmal auch am
Abend auf der Piazza. Und natürlich immer dann, wenn sich Touristen zu uns
verirrten, die hungrig und ungeduldig waren. Signora Daniele braucht ja immer
so lange, bis sie ihren Pizzaofen in Gang gesetzt hat. Wenn wir nicht
währenddessen gesungen hätten, wären die Touristen längst ins Nachbardorf
abgewandert.«
    Â»Du hast in einem Chor gesungen? Das wusste ich nicht!«
    Â»Er hat leider nicht lange bestanden, unser Chor. Signora Eduardis
Mann wollte nicht, dass seine Frau ihre Zeit mit solchem Unsinn vergeudet, und
hat ihr das Singen verboten. Und der Geflügelhändler wollte uns nicht mehr auf
seinem Hof üben lassen, weil seine Hühner angeblich keine Eier mehr legten. Die
Schwestern Tintorella haben sich zerstritten, weil eine der anderen das Solo
nicht gönnte, und sind beide aus dem Chor ausgetreten. Und Signorina Manuela
hat derart falsch gesungen, dass es nicht auszuhalten war. Aber niemand durfte
es ihr sagen, weil ihr Vater uns, nachdem der Geflügelhändler abgesprungen war,
seine Backstube zum Üben zur Verfügung gestellt hat. Als sich dann noch unsere
Chorleiterin unglücklich verliebt hatte und uns nur noch schrecklich traurige
Lieder singen ließ, hieß es finito für unseren Chor.« Carlotta stieß einen
tiefen Seufzer aus. »Dabei habe ich immer so gern gesungen. Der Pastor hat
einmal zu mir gesagt: Carlotta, Sie sollten mehr aus Ihrer Begabung machen!«
    Carolin stimmte dem Urteil des Pfarrers unumwunden zu. Dann hatte
sie eine Idee: »Ich könnte unsere Chorleiterin fragen, ob du mitsingen darfst,
solange du auf Sylt bist!«
    Mamma Carlotta fuhr zusammen, als hätte man ihr einen gewaltigen
Schreck eingejagt. Aufgeregt fuchtelte sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher