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Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras
Autoren: Gisa Pauly
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Strand konnte er nichts anderes tun, als
abzuwarten, bis das Lied zu Ende war.
    Â»Ich gehe mal eben nach oben in die Dünen«, sagte Erik. »Ich hätte
ganz gern ein paar Minuten meine Ruhe.«
    Â»Ich auch«, erklärte Felix.
    Erik lächelte. »Für dich kann es doch sonst gar nicht unruhig genug
sein.«
    Â»Ich kann Volkslieder aber nicht leiden.«
    Â»Ehrlich gesagt, ich auch nicht.«
    Mamma Carlotta reckte den Hals, wandte sich aber beruhigt wieder
Carolin zu, als sie sicher sein konnte, dass Erik und Felix sich nicht heimlich
davonmachen wollten. Sie mochte es nicht, wenn sich jemand absonderte, und
holte über kurz oder lang jeden in den Kreis der Familie zurück, der sich
daraus entfernt hatte. Lange konnte es nicht dauern, bis sie nach ihnen rufen
und vorwurfsvoll fragen würde, ob es etwa irgendwo etwas Wichtigeres gäbe als
Carolins Gesangskarriere.
    Erik blieb stehen, als er das erste Dünengras niedergetreten hatte.
Unten wurde mittlerweile im Duett gesungen, und er war froh, sich so weit von
dieser Entgleisung entfernt zu haben, dass er notfalls behaupten konnte, das
junge Mädchen und die italienische Signora überhaupt nicht zu kennen.
    Er hätte es sich ja denken können, dass Mamma Carlotta von Carolins
Sangesfreude im Nu angesteckt sein würde. Sie war Italienerin, und als solche
sang sie von Natur aus gerne. Auch Lucia hatte häufig ein Lied auf den Lippen
gehabt. Und im Haus ihrer Eltern in Umbrien hatte immer jemand gesungen,
notfalls das Radio. Außerdem interessierte sich Mamma Carlotta brennend für
alles, was einem Enkelkind wichtig war.
    Felix stellte sich neben ihn und murmelte: »Ich bleibe dabei, dass
ich Fußball-Profi werden will.«
    Â»Sehr beruhigend«, antwortete Erik und hätte am liebsten ergänzt: Da
kannst du wenigstens sicher sein, dass deine Großmutter nicht beim Training
mitmachen will.
    Â»Wenn sie schon singen muss, dann wenigstens wie Madonna. Aber nicht
wie Marianne«, nörgelte Felix.
    Â»Marianne? Wer soll das sein?«
    Â»Marianne und Michael! Die Stars der Volksmusik! Kennst du die
nicht?«
    Erik schüttelte den Kopf, obwohl ihn eine Ahnung anflog, dieses Paar
schon einmal auf einer Titelseite gesehen zu haben. »Warum nimmt Carolin sich
diese Marianne zum Vorbild, wenn sie keinen Michael hat, der mit ihr singt?«
    Felix grinste. »Du merkst mal wieder gar nichts. Michael Ohlsen
singt auch im Inselchor.«
    Erik zog es vor zu schweigen. Er hatte das dumme Gefühl, dass er
wissen sollte, wer Michael Ohlsen war. Ach, Lucia! Sie hätte längst gemerkt,
dass Carolin verliebt war, und natürlich hätte sie auch gewusst, wer Michael
Ohlsen war. Erik seufzte unhörbar. Er musste wirklich mehr mit seinen Kindern
reden, statt immer nur Felix’ Redestrom an sich vorbeirauschen zu lassen und
froh zu sein, dass Carolin so wortkarg war wie er selbst.
    Plötzlich spürte er so etwas wie Erleichterung in sich aufsteigen.
»Wenn Carolin nur wegen diesem Michael im Inselchor singt, dann ist das doch
was ganz anderes. Dann geht es ihr ja gar nicht um diese Volkslieder, sondern … na, eben um Michael Ohlsen.«
    Er erinnerte sich, dass er sich selbst als Sechzehnjähriger zu einem
Surfkurs angemeldet hatte, um einer gewissen Wiebke zu imponieren. Die
Abmeldung hatte er geschrieben, noch ehe er die ersten zehn Mark für ein
eigenes Surfbrett zur Seite gelegt hatte. Später war er froh, dass Wiebke an
seiner Schwärmerei nicht interessiert gewesen war und sich stattdessen einem
Jungen zuwandte, der schon achtzehn war und ihr mit einem Motorrad imponieren
konnte. So waren ihm vermutlich viele schmerzhafte Erfahrungen auf und vor
allem unter Wasser erspart geblieben.
    Wenn man verliebt war, machte man eben die verrücktesten Sachen. Und
wenn es sein musste, trat man sogar einem Chor bei und sang Volkslieder. Aber
da eine Liebe in diesem Alter selten länger als ein paar Wochen hielt, würde
sich die Sache so schnell erledigt haben wie sein eigener Wunsch, das Surfen zu
erlernen.
    Felix jedoch blieb skeptisch. »Was soll dadurch anders sein? Kannst
du dir vorstellen, was das für ein Typ ist? Ich will nicht, dass meine
Schwester mit so einem geht.«
    Â»Was ist denn mit Michael Ohlsen?«
    Â»Der singt nicht nur gerne Volkslieder, der sieht auch noch aus wie
Florian Silbereisen. Blonde Strähnen und immer ein Grinsen im Gesicht. Wenn wir
in Bayern
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