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Tod im Albtal

Tod im Albtal

Titel: Tod im Albtal
Autoren: Eva Klingler
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verlaufen wie die davor. Dieser Abend würde enden wie zahllose vor ihm. Mein Leben würde sich genauso abspielen wie das der Frauen in unserem Kreis, die zehn Jahre älter waren als ich. Zwanzig Jahre älter. Golf. Bridge. Theater. Festspielhaus in Baden-Baden. Kreuzfahrten.
    Reichte mir das?
    Mein Terminkalender war voll, aber meine Tage waren im Grunde leer. Der Garten überzog sich mit einer Art Grauschleier.
    In meinem Bücherregal fand ich ein Buch, das ich zum Vierzigsten geschenkt bekommen hatte: »Heute fängt dein zweites Leben an – erfinde dich neu!«
    Ich begann zu lesen. Die Botschaft war die übliche: Freude am Leben haben. Kreativ sein. Neues wagen.
    »Vor allem«, mahnte die Autorin streng, »sollten Sie in sich gehen und sich fragen, was Ihnen im Leben eigentlich wirklich Spaß macht. Tun Sie’s einfach und schauen Sie, was passiert. Ich garantiere Ihnen: Es wird sich etwas verändern.«
    Damals ging ich also in mich. Was erfüllte mich eigentlich wirklich?
    Ich kochte nicht gerne, ich war nicht kreativ. Und schon gar nicht musikalisch. Musik war mehr ein gesellschaftliches Muss. So ging ich nicht nur anstandshalber zu den Ettlinger Schlosskonzerten im Asamsaal oder ins Staatstheater in Karlsruhe, sondern ließ mich auch bei den alljährlichen Ettlinger Wettbewerben für junge Pianisten blicken, bei denen damals übrigens der junge Lang Lang das erste Mal aufgefallen war.
    Sex als Hobby? Fehlanzeige. Mit Nicolaus war es immer langweilig und anstrengend gewesen, und das würde wohl so bleiben. In den ersten Jahren meiner Ehe hatte ich Haremsdamen beneidet, die nur alle paar Wochen zum Sultan gerufen werden.
    Kinder als Erfüllung? Nein. Das Heranwachsen meiner Samantha war für mich kein Quell ständigen Entzückens gewesen, sondern nüchtern betrachtet eine ziemliche Mühe, und ich war erfreut, dass sie sich zurzeit in sicherer Entfernung von mir aufhielt und keine langen braunen Haare mehr im Badezimmer hinterließ. Absolut keine Leseratte, war ich literarisch bei »Vom Winde verweht« stehen geblieben und litt immer noch mit Scarlett O’Hara, wenn sie sich nicht zwischen ihren verschiedenen Ballkleidern entscheiden konnte.
    »Womit, Frau Tobler«, fragte ich mich an jenem Abend im Garten, »verbringen Sie denn dann eigentlich Ihre vielen freien Tage?«
    Ich dachte nach, und dabei fand ich eine Sache, die mich richtig glücklich machte: einkaufen. Shoppen! Geld ausgeben! Powershopping. Edelshopping. Die Jagd nach der neuesten Mode, nach interessanten Designern und immer wieder nach der ultimativen Handtasche.
    Mit der Kreditkarte in der Hand eilte ich quer durchs Modeland. Ich kannte jeden besseren Kleiderladen zwischen Pforzheim und Mannheim. In manchen angesagten Ettlinger Boutiquen hielten sie mich schon fast für einen unverzichtbaren Teil des Inventars. Mir entging kein Sortimentswechsel bei Noa Noa oder Orwell. Luxus-Handtaschen und Schuhe oberhalb von dreihundert Euro säumten meinen Weg.
    Kürzlich waren wir Damen vom elitären Club der »Freundinnen des Balletts« bei einer Malerin namens Beate-Marie in ihrem pittoresken Atelier in der Karlsruher Oststadt eingeladen. »Was sind denn diese Manolos«, hatte sie gefragt. Elena, die nicht immer bei unseren Treffen dabei sein konnte (wenn sie es war, dann adelte sie die Zusammenkünfte!), hatte mich mit ihren grünlichen Augen nur angesehen und die schmalen Brauen bis unter ihren kurzen französischen Pony hochgezogen. Konnte man dieser Künstlerin in ihren Birkenstocks erklären, warum Madonna und ich diesen handgefertigten High Heels des spanischen Schuhgotts Blahnik verfallen waren? Man versuchte es besser gar nicht.
    Endlich entdeckte ich an jenem Abend im Garten ein echtes Gefühl in mir: Ich hasste schlecht gekleidete Frauen. Am liebsten würde ich sie an die Hand nehmen und ihnen eine ordentliche Grundausstattung verpassen, ihnen sämtliche T-Shirts mit großen Blumen oder falschem Strass und alle Stretchjeans ausziehen und ihnen dann eine True-Religion-Jeans verpassen, in der sie so schick aussahen, dass sie damit auf den Opernball gehen konnten.
    Warum eigentlich nicht?, dachte ich an jenem Abend. Das wäre  die  Geschäftsidee für die Damen der gehobenen Gesellschaft: Exklusive Shoppingbegleiterin.  »Be a lady« , würde auf meinen Visitenkarten stehen.
    Am folgenden Tag waren sie bereits in Druck, und mein Mann tat das, was er immer tat: Er zuckte die Achseln und arbeitete mir Honorarverträge für meine Kundinnen aus.
    »Ich
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