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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman
Autoren: Patrick Lennon
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klimperten. Eine Weile später kam er zur Brücke
     über den Rangierbahnhof, der unter dem Namen Electric Mile bekannt war: eine riesige, von Geleisen bedeckte Fläche unter einem
     Netz von Oberleitungen, die leise im Wind zitterten. Fletcher blieb am Geländer stehen und beobachtete einen Personenzug,
     der unter ihm durchfuhr, Funken aus der Oberleitung schlug und einen Geruch von statischer Aufladung hinter sich herzog. Als
     der Zug vorbei war, schimmerten die Schienen wieder leer in den Abend hinein, ein breites Feld aus Stahl und Drähten.
    Er überquerte die Brücke und bog in ein Gewirr schmaler Gassen mit niedrigen Reihenhäusern ein, die von den Masten des Rangierbahnhofs
     überschattet wurden. Der nächste Zug rollte vorbei, und Fletcher spürte das Vibrieren des Bodens durch das Pflaster hindurch.
     Am Ende der Gasse, wo ein Stahltor den Zugang zum Gleisgelände versperrte, kam er zu dem Haus, das er suchte. Er klopfte an
     die Tür, von der er nicht lassen konnte.

Dienstagmorgen
    Als das Telefon läutete, legte Fletcher den Rasierapparat weg. Er hatte ziemlich merkwürdige Träume gehabt: Fliegenschwärme,
     die Schuhe eines toten Mannes, eine kleine Strohpuppe und jemand, der
Sie ist Russin
sagte. Dann hatten sich elektrische Leitungen berührt und eine Tür war aufgegangen.
    Fletcher griff nach dem Hörer.
    Anschließend zog er sich fertig an: frischer blauer Anzug, graues Hemd und Leinenkrawatte. Die Kaffeemaschine brodelte, aber
     er beachtete sie nicht. Seine Gedanken arbeiteten fieberhaft.
    Er hatte gerade erfahren, dass man auf der Straße nach Thinbeach einen verunglückten alten Ford Sierra gefunden hatte. Der
     Fahrer war durch die Windschutzscheibe geschleudert worden und tot. Er hieß Ron Teversham und war von Beruf Wachmann.
    Eher eine Art Hausmeister, genau genommen. Ich schließe abends zu und morgens wieder auf.
     
    Manchmal lag Iwan in jenem letzten Sommer vormittags zusammen mit seinen Freunden auf dem Damm des Staubeckens und sah auf
     die Eisenbahngleise, die aus dem Niva-Werk herausführten. Sie beobachteten, wie die Lokomotiven flache, mit Traktoren beladene
     Waggons aus dem Werk schleppten, langsam Fahrt aufnahmen und von Stawropol in Richtung Westen davonratterten.
    »Wohin werden die wohl geliefert, was meinst du, Iwan?«
    Iwans bester Freund dachte gern über die Welt jenseits
Stawropols nach. Er konnte sogar etwas Englisch: Coca Cola und Ford, Hello und Bye-Bye.
    Iwan spähte durch den Qualm der Lokomotive in die Ferne. »Mein Vater sagt, sie werden in alle Sowjetrepubliken geliefert.
     Und außerdem noch in andere Länder. Nach Polen und in die Deutsche Demokratische Republik. Und auch noch nach Kuba, wo es
     sehr heiß ist. Viele Länder wollen unsere Traktoren.«
    Der Lokomotivenqualm blieb über der Ebene hängen, während die Waggons immer kleiner wurden, bis sie nicht mehr zu hören waren
     und schließlich verschwanden.
    »Und wohin werden sie noch geliefert, Iwan?«
     
    Der Himmel war vollkommen blau, nur hinter der Kathedrale schwebten ein paar Wolken am Horizont. Auf der Straße nach Thinbeach
     gab es eine einzige Kurve, und die war jetzt von einem Streifenwagen versperrt, dessen Blaulicht stumm in der Sonne blitzte.
     Dahinter waren schon Polizisten mit der Unfallaufnahme beschäftigt, sie vermaßen Aufprallwinkel und Entfernungen, während
     der Sergeant Fletcher berichtete. Fletcher hörte zu und fragte dann: »Irgendetwas Verdächtiges?«
    »Nein, Sir. Man kann es riechen.«
    Fletcher trat zum Wagen. Der Sierra war aus der Kurve geschleudert worden, hatte das Warnschild umgerissen und war gegen den
     Stamm einer Weide gekracht. Jetzt raschelten die herabhängenden Blätter der Weide über das Wagendach, als suchten sie nach
     einem Lebenszeichen.
    Doch es gab keins. Teversham hatte keinen Sicherheitsgurt angelegt, vielleicht wegen seiner Leibesfülle. Er war durch die
     Windschutzscheibe geschleudert worden, und die Leiche lag jetzt auf der eingedrückten Motorhaube. Die Füße steckten im Lenkrad
     fest und der Schädel war gegen den Stamm geschmettert worden und hatte eine rote Schmiere hinterlassen, die in der Sonne gerann.
    Fletcher beugte sich über den Toten und sah ihn sich genauer an. Das schüttere Haar war mit Scherben übersät, die im Blaulicht
     des Streifenwagens aufblitzten. Man roch ausgelaufenes Motoröl, aber stärker noch war der Whiskydunst, und Fletcher verzog
     angewidert das Gesicht.
    Er sah sich den Wagen an. Die Türen waren
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