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Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)
Autoren: Daniel Twardowski
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achthundert Mann gefahren. Die Geschützpforten der vierten Batterie, knapp über der Wasserlinie, waren vernagelt. Auch auf dem zweiten und dritten Deck war kein Geschütz mehr zu sehen, die Luken standen zur Lüftung offen.
    Sie war über sechzig Jahre alt, hatte vieles gesehen, alle Meere befahren. Verkauft an die Ostindische Kompanie und mehrfach umgebaut, war sie jetzt ein Indienfahrer für Last-und
vor allem Truppentransporte. Ein erheblicher Abstieg, aber dennoch schritt Gowers mit der Begeisterung des geborenen Engländers ihre Länge schon am Kai ab, sah dann ihren Namen am Bug und sein erstes Leben hinter dem Namen:
    Northumberland .

15.
    Northumberland, benannt nach dem angelsächsischen Königreich Northumbria, war von jeher das Grenzland des wie und durch wen auch immer zivilisierten südlichen Teils der britischen Insel gegen die wilden Stämme des Nordens, zuerst die Pikten, dann die Schotten.
    Agricola, der Schwiegervater des großen Tacitus, besiegte im Jahre achtzig die hier lebenden freien keltischen Stämme und legte eine Kette befestigter Punkte zwischen Eden und Tyne. Ein halbes Jahrhundert später verbanden römische Ingenieure diese Befestigungen mit einem siebzig Meilen langen und fünfzehn Fuß hohen Wall, den sie zu Ehren ihres Kaisers Vallum Hadriani nannten.
    Zweihundertfünfzig Jahre lang wurde diese Grenze bewacht und nicht überschritten, ehe Pikten, Sachsen und Waliser in nie zuvor und seither nie wieder erreichter Einigkeit den Wall durchbrachen und die Anarchie der Völkerwanderungen die Herrschaft der Römer in England für immer verschlang.
    Die angelsächsischen Könige kamen und gingen. Oswin von Northumbria wurde Overlord über alle britannischen Reiche, bis Offa von Mercia im achten Jahrhundert die Führung übernahm.
    Siebenhundertvierundneunzig, ein Jahr nach Lindisfarne, landeten die Wikinger in Jarrow-upon-Tyne und zerstörten
das Kloster des heiligen Beda. Die große Armee der Dänen besetzte das Land und wurde von den Angelsachsen aufgesogen. Erst Wilhelm der Eroberer setzte der Herrschaft und dem blutigen Streit vieler kleiner Stammesfürsten und Clanchefs ein Ende – und seinen Ritter Percy als ersten Earl of Northumberland über die nördlichste Grafschaft des normannischen England.
    Schon die Römer hatten am Tyne nach Kohle gegraben, sie über eine wohlangelegte Heerstraße, den Fosse Way, nach Süden verschickt. Aber ihre Gruben verfielen mit dem Hadrianswall, und nur die Straße wurde von vielen fremden Heeren genutzt, um das Chaos anzurichten, in dem Christentum und Kultur versanken.
    Erst im späten Mittelalter nahm man die Arbeit in den nie vergessenen Kohleminen zaghaft wieder auf; primitiven Minen, selten mehr als zehn, vielleicht zwanzig Meter unter der Erde, unbewettert, ständig vom Wasser bedroht. So blieb es ein halbes Jahrtausend.
    Der schwarze Prinz starb, die Jungfrau von Orleans wurde geboren und verbrannt, York und Lancaster stritten sich erbittert um die blutige Krone. Heinrich VIII. küsste und köpfte seine Frauen, die Armada versank, und Lilibeth hatte keine Kinder. Der Sohn der Maria Stuart vereinigte die beiden Königreiche, und ihr Enkel verlor Kopf und Krone an Parlament und Volk.
    Und die Kohle vom Tyne rollte in den Süden auf der uralten Straße und heizte die Schmelzöfen dieser Geschichte, des Märchens von Merry old England . Oliver Cromwell besuchte angeblich die Gruben von Newcastle, die noch genauso primitiv waren wie zur Römerzeit oder wenig besser.
    Und es auch blieben, bis ein Schotte, James Watt, eine Maschine erfand, mit der man das Wasser beherrschen, es heben
konnte, tausend Liter in einer Minute. Gleichzeitig verzehrte diese Maschine, überall nachgebaut und zu den unterschiedlichsten Zwecken eingesetzt, zum ersten Mal in der Geschichte nicht mehr die menschliche Arbeitskraft, sondern nurmehr die Energie eines Brennstoffs, und das hieß: neue Minen, größere Gruben!
    Nun erst stiegen sie in die Erde, tiefer hinab als je ein Römer, Sachse oder Normanne vor ihnen. Fünfzig Meter, hundert Meter, ja, sie trieben Schächte bis über dreihundert Meter in lichtloses Gestein, Mergel. Sie durchbrachen das Deckgebirge und standen auf dem geronnenen schwarzen Blut der Zeit. In wenigen Jahren schlugen sie mehr davon aus den Adern der Erde als sämtliche Generationen vorher zusammengenommen.
    Und das erste Wort, das die Kinder am Tyne nach »Mama« und »Papa« zu sagen lernten, war: »Kohle!«

16.
    Joseph Gowers, der Pfarrer von
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