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Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)
Autoren: Daniel Twardowski
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Mr. …«
    »Gowers.«
    »Interessanter als die meisten, wirklich.« Radcliffe hob mit der linken Hand die Lampe, hielt sie seitlich am ausgestreckten Arm, damit ihn das Licht nicht blenden konnte. »Haben Sie sonst noch etwas zu sagen?«
    Gowers überlegte fieberhaft, wie er noch einmal näher an das Licht und den Mann herankommen könnte. Zumindest wird dieser Bastard mehr als eine Kugel brauchen, schwor er sich.
    »Nur noch eine Frage, Sir.« Er trat näher heran. Radcliffe hob schon die Waffe, aber Gowers nahm beschwichtigend die Hände hoch.
    »Warum der Arzt?«, fragte er.
    »Nun«, Kapitän Radcliffe lächelte, als sollte es eine Entschuldigung sein. »Ich war mir nicht sicher, wer von Ihnen beiden der Detektiv ist.«
    »Investigator«, sagte Gowers. »In Amerika sagen wir: Investigator!«
    Niemand sprach mehr, nicht der Mörder und nicht das Opfer.
    Und als Gowers in seinen Augen sah, dass er abdrücken würde, als er schon begonnen hatte, sich zur Seite zu werfen, schoss plötzlich ein nackter, sehniger Arm aus dem Dunkel, die gekrümmte Klinge eines Kookree durchschnitt Muskeln, Adern, Sehnen, den Hals des Kapitäns, und Radcliffe sackte, eine schwarze, schwerfällige Masse, in sich zusammen.
    Das Licht erlosch, und eine Stimme sagte: »And this must ever be/a secret between you and me!« 12

126.
    So kam es, dass die Northumberland die letzte ihrer vielen Fahrten unter dem Kommando des Ersten Offiziers Edward Bell zu Ende brachte.
    Kapitän Radcliffe wurde nie gefunden.
    Ein Passagier, Daniel Thompson, sagte aus, dass er den Kapitän gegen zwei Uhr nachts am Bug gesehen hatte. An jener
Stelle, an der laut Logbuch schon zwei andere Männer über Bord gegangen waren, unter ihnen kein Geringerer als der dritte Lord Eden. Dort musste das Schanzkleid des uralten Schiffes marode sein, jedenfalls deuteten die Akten der späteren Untersuchung diese Erklärung an. Aber jeder weiß, dass es unmöglich ist, irgendetwas zu beweisen, was auf hoher See geschieht.
    Die große Zeit der hölzernen Segelschiffe neigte sich jetzt rasch ihrem Ende zu. Dampf und Stahl feierten ihre Triumphe, und die ehrwürdige Ostindische Kompanie meldete schließlich Konkurs an. Vier Jahre später verkürzte der Suez-Kanal die Reise nach Indien für viele Tausende britische Soldaten um fast drei Monate.
    St. Helena versank im Meer, oder jedenfalls nahm man das an, denn die großen Schifffahrtslinien berührten diese Insel nicht mehr.
     
    John Gowers stand am Heck und betrachtete den Horizont über der Straße von Mosambik. Er stellte sich eine andere Welt vor, eine andere Zeit, mithilfe seiner Gedächtnisscheiben, und er lächelte, wenn er darin ein bekanntes Gesicht entdeckte.
    Ein hagerer Inder tauchte wortlos neben ihm auf und schüttete etwas über Bord.
    Die Männer nickten ernst und sahen es langsam in der Hecksee des großen Schiffes versinken.
     
    Zum ersten Mal seit dem Auslaufen und nach all der Arbeit des Stauens, den Flüchen der Matrosen, den Ohrfeigen des Kochs kam der Junge dazu, sich an Deck umzuschauen. Verwundert ging er von backbord nach steuerbord, schließlich ganz nach vorn und verstand nicht, was seine Augen sahen.
    Er spürte die uralte Welle, die Dünung unter seinen Füßen, eine riesige, träge Bewegung.
    Das Land versank in seinem Rücken, weit hinten am Horizont. Die letzten Möwen flogen zurück. Vor ihm die offene See und über ihm ein Himmel, der größer war als alles, was er sich je vorstellen konnte.

1. Auflage
Originalausgabe Januar 2009
    Copyright © 2009 by Wilhelm Goldmann Verlag,
München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
    Umschlaggestaltung: Design Team München
Umschlagfoto: plainpicture/Johner
BH · Herstellung: Str.
Redaktion: Gerhard Seidl
Satz: deutsch-türkischer fotosatz, Berlin
     
    eISBN 978-3-641-09354-9
     
     
    www.goldmann-verlag.de
    www.randomhouse.de

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