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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr
Autoren: Peter Kersken
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Terfurth hieß, dass sie die Ehefrau eines gewissen Julius Terfurth geworden war.
    Und eben dieser Julius Terfurth lag jetzt kalt und steif neben einer Wasserlache auf dem unteren Postweg.

    »Wenn du im Tode die Schuld der Menschennatur bezahlt hast, kehre heim zu deinem Schöpfer, der dich aus dem Staube der Erde gebildet hat«, betete Pastor Witte.
    Grottkamp nahm seine Dienstmütze ab und blieb ein paar Schritte abseits der Gruppe stehen. Während Pfarrer Anton Witte sein Gesicht zum verregneten Morgenhimmel wandte und laut und voller Inbrunst die Sterbegebete sprach, neigte Grottkamp seinen Kopf, jedoch nur so weit, dass er unter den Augenlidern hervor die Umstehenden betrachten konnte.
    Elisabeth Terfurth hatte ein dunkles Tuch über Kopf und Schultern geworfen, das sie mit beiden Händen vor ihrer Brust zusammenhielt. Sie weinte leise, genau wie die junge Frau, die sich bei ihr eingehakt hatte.
    Das Mädchen ähnelte so sehr dem Liesken, das Martin Grottkamp vor vielen Jahren geliebt hatte, dass es ihm wehtat. Plötzlich erinnerte er sich wieder an diesen unsäglichen Schmerz, von dem er damals geglaubt hatte, er zerreiße ihm die Brust.
    Doch das war lange her, und er war nicht mehr der einundzwanzigjährige Grenadier, den sein Liebchen verlassen hatte. Er war jetzt der Polizeidiener von Sterkrade, ein gestandener Mann von Anfang vierzig, der sich so weit im Griff hatte, dass er mit einem tiefen Atemzug die kurze Beklemmung seines Herzens zu lösen vermochte.
    Was blieb, war diese leise Wehmut, die ihn in letzter Zeit immer wieder beschlich, wenn er durch das Dorf ging und vergeblich nach den Plätzen der Kindheit Ausschau hielt. Vieles von dem, was einmal bedeutsam für ihn war, war unwiederbringlich verloren. Das fühlte Martin Grottkamp auch jetzt beim Anblick der beiden weinenden Frauen.
    Das Mädchen, das Halt suchend an Elisabeths Arm hing, war ohne Zweifel ihre Tochter. Der junge Mann, der an der anderen Seite neben ihr stand, hatte den Kragen seiner derb gewebten Wolljacke hochgeschlagen. Während er tröstend einen Arm um Elisabeths Schulter legte, trat er achtlos ins Wasser, so dass es über den Rand seiner Holzschuhe schwappte. Einer von Julius und Elisabeth Terfurths Söhnen, die beide noch zur Schule gingen, konnte dieser junge Mann nicht sein.
    Einige Schritte abseits lauschte eine Frau mit gefalteten Händen den Gebeten Pfarrer Wittes. Sie beobachtete eher neugierig als teilnahmsvoll, was um den toten Julius Terfurth herum geschah. Es war Nepomukzena, die Ehefrau von Dietrich Huckes, der als Kranführer im Brückenbau arbeitete. Grottkamp wusste, dass die beiden seit Jahren in dem kleinen Haus lebten, das nur ein paar Ruten weiter am Rande des alten Postwegs stand.
    Auf der anderen Straßenseite wartete mit gesenktem Kopf der Schreiner und Fuhrmann Theodor Verstegen. In der einen Hand hielt er seine zerknüllte Kappe, in der anderen den Zügel seines hellbraunen Brabanters. Gleichmütig ließ der schwere Hengst den unablässigen Regen und die nicht enden wollenden Totengebete über sich ergehen. Nur gelegentlich schüttelte er seine helle Mähne aus. Er war vor einen niedrigen, einachsigen Leiterwagen gespannt.
    Mit dem Rücken zu Grottkamp stand sein alter Schulfreund, der Heildiener Jacob Möllenbeck. Er hatte den Polizeidiener noch nicht bemerkt.
    »Deinen Erlöser sollst du sehen von Angesicht zu Angesicht, und allzeit stehend vor ihm, sollst du mit seligen Augen die Wahrheit hüllenlos schauen. Ja, in die Scharen der Seligen aufgenommen, sollst du die Wonne der Anschauung Gottes genießen in Ewigkeit«, betete Pfarrer Witte.
    »Amen«, murmelten die Umstehenden.
    Als Anton Witte sich von den Knien erhob, ließ das Mädchen seine Mutter los und reichte dem Pfarrer die Hand, um ihn zu stützen. Der nahm, dankbar nickend, die Hilfe an. Das Mädchen beugte sich hinab und versuchte, den lehmigen Schmutz von Wittes Priesterrock zu klopfen. Der Pfarrer schüttelte den Kopf.
    »Lass nur, Martha, das hat wohl keinen Sinn«, sagte er freundlich. Dann griff er nach Elisabeths Arm. »Kommen Sie, Frau Terfurth, ich bringe Sie jetzt nach Hause.«
    Elisabeth Terfurth ließ sich willenlos von Pastor Witte wegführen. Ihre Tochter und der junge Mann folgten den beiden. Kurz nachdem die kleine Gruppe sich in Bewegung gesetzt hatte, kam der Pfarrer eiligen Schrittes noch einmal zurück.
    »Bringen Sie ihn schnell weg!«, wies er den Fuhrmann Verstegen an. »Ich möchte nicht, dass er noch so daliegt, wenn
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