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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr
Autoren: Peter Kersken
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gleich die Kinder zur Schule gehen.«
    Verstegen nickte, und während Anton Witte durch den anhaltenden Regen hinter den Frauen und ihrem jungen Begleiter hereilte, beugten der Fuhrmann und der Heildiener Möllenbeck sich zu dem Toten hinunter, um ihn auf den Leiterwagen zu tragen.
    »Wartet noch! Lasst ihn liegen!«, forderte Grottkamp die beiden Männer auf.
    Er war froh, dass Pastor Witte inzwischen außer Hörweite war. Natürlich würde er sich auch vom Herrn Pfarrer nicht von seinen Dienstpflichten abhalten lassen! Es war ihm jedoch angenehmer, den Toten und die Unglücksstelle in Augenschein nehmen zu können, ohne zuvor dem hochwürdigen Herrn klarmachen zu müssen, dass in dieser Angelegenheit korrektes amtliches Vorgehen notwendig war – Schulkinder hin, Schulkinder her.
    Erschreckt hatte sich Jacob Möllenbeck herumgedreht. »Mensch, Grottkamp! Ich hatte dich überhaupt nicht bemerkt«, schimpfte er. Doch er und auch Theodor Verstegen traten widerspruchslos einige Schritte von dem Toten zurück.
    »Entschuldige, Jacob!«, sagte Martin Grottkamp und klopfte seinem Freund auf die Schulter, »war nicht meine Absicht, dich zu erschrecken.«
    Möllenbeck nahm die Entschuldigung mit einem Kopfnicken an. »Da gab es für mich nichts mehr zu tun«, murmelte er und deutete auf den Toten, der aus halb geschlossenen Augen ins Leere starrte.
    Der Hammerschmied Julius Terfurth lag auf dem Rücken neben einer unregelmäßig geformten Wasserlache, die an keiner Stelle schmaler oder kürzer als sieben bis acht Fuß war.
    Eine tiefe Platzwunde auf seiner Stirn war offenbar über Stunden vom Regen ausgewaschen worden und gab den Blick auf die Schädeldecke frei.
    »Lag er so, als er gefunden wurde?«, fragte Grottkamp.
    »Wohl kaum«, meinte Möllenbeck, und Verstegen, der ihnen gegenüber stand, zuckte mit den Achseln.
    »Nein, Herr Polizeisergeant«, sagte Nepomukzena Huckes, die Frau des Kranführers, die immer noch aufmerksam die Szenerie beobachtete und jetzt zu den Männern trat.
    »Haben Sie den Toten gefunden?«, erkundigte Grottkamp sich.
    »Nein, zwei junge Arbeiter aus der Kesselschmiede wären auf dem Weg zur Hütte beinahe über ihn gestolpert. Einer von ihnen ist dann gleich zu unserem Haus rüber gelaufen, um Hilfe zu holen.«
    »Und weiter?«, fragte Grottkamp.
    »Ich bin sofort mit raus, mit der Petroleumlampe. Und als wir beide hier ankamen, da hockte der andere junge Mann noch über dem Terfurth und rief ihn an und rüttelte an seiner Schulter. Aber der hat sich nicht mehr gerührt, der Terfurth.«
    »Wie hat er da gelegen?«, wollte Grottkamp wissen.
    »Er lag mit dem Gesicht nach unten in der Pfütze, mitten drin. Ich hab den beiden jungen Kerlen gesagt, sie sollten ihn erst mal umdrehen. Sie haben ihn dann herumgerollt, so dass er auf dem Rücken neben dem Wasser zu liegen kam – genau so wie er jetzt liegt«, berichtete Frau Huckes. »Dann hab ich ihm mit der Lampe ins Gesicht geleuchtet, und dann hab ich den beiden Burschen gesagt, sie sollten laufen und den Pastor holen.«
    »Mit dem Gesicht mitten in der Pfütze«, wiederholte Grottkamp nachdenklich. »So in etwa? Hier der Kopf und hier die Füße?«, fragte er Nepomukzena Huckes, während er ohne Rücksicht auf seine Schuhe in der Wasserlache hin und her watete.
    »Ja, genau so hat er gelegen«, bestätigte die Frau.
    »Also gut, du kannst ihn jetzt wegbringen«, sagte Grottkamp zu Verstegen. Und während der Fuhrmann und der Heildiener den Toten unter den Achseln packten, griff er mit beiden Händen um seine Fußgelenke.
    »Lederschuhe«, stellte er fest, während sie zu dritt den leblosen Körper auf den Leiterwagen wuchteten.
    »Nicht schlecht gekleidet für einen Hüttenarbeiter«, befand Möllenbeck. »Diese Jacke, das ist fester Leinenstoff, noch was anderes als dies billige Baumwollzeugs, das man jetzt überall bekommt.«
    »Und der Herr trug nicht etwa eine Kappe, sondern einen Hut«, bemerkte Verstegen, während er die reichlich zerknautschte Kopfbedeckung des Toten, die unbeachtet auf der Straße gelegen hatte, auf den Leiterwagen warf.
    »Hier ist noch etwas, Herr Sergeant«, sagte Nepomukzena Huckes und deutete auf eine Tabakspfeife, die bisher unter dem Körper des Toten verborgen gewesen war.
    Grottkamp nahm sie aus dem Matsch und wischte sie, so gut es ging, mit den Händen sauber. Es war eine kurze, gebogene Pfeife mit einem Blechdeckel auf dem Pfeifenkopf. Eine Tabakspfeife wie diese besaßen viele Arbeiter der
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