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Tod am Kanal

Tod am Kanal

Titel: Tod am Kanal
Autoren: H Nygaard
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führte die Beamten in ein enges Büro, nachdem er
kurz an die Tür geklopft hatte.
    Hinter dem Schreibtisch saß ein Mann mit vollem Haar,
das die Ohren bedeckte und in Wellen bis über den Hemdkragen reichte. Ein
gepflegter Vollbart, die halbe Lesebrille auf der Nasenspitze und zwei dunkle
Augen, die unter buschigen Brauen hervorlugten, prägten das Bild des
Schulleiters. Er sah auf, als die Beamten hinter dem Hausmeister in das Zimmer
drängten.
    »Die sagen, sie sind von der Polizei«, erklärte
Trochowitz. »Ich weiß aber nicht, was die wollen.«
    »Danke, Harry«, sagte der Schulleiter und wandte sich
an die drei Polizisten. »Was kann ich für Sie tun?«
    Christoph stellte sich und seine beiden Begleiter vor.
    »Van Oy«, nannte der Schulleiter seinen Namen und sah
den Hausmeister an. »Ich glaube, wir brauchen Sie nicht mehr, Harry.«
    Als Trochowitz immer noch keine Anstalten machte, den
Raum zu verlassen, legte van Oy mehr Schärfe in seine Stimme. »Sie können
gehen, Harry.«
    Mit einem mürrischen Blick auf die Beamten verließ der
Hausmeister das Büro und schloss geräuschvoll die Tür hinter sich.
    »Leider kann ich Ihnen keinen Platz anbieten«,
entschuldigte sich der Schulleiter und zeigte auf den einzigen Besucherstuhl.
Bevor Christoph sich setzen konnte, hatte sich Große Jäger mit einem Ächzen auf
dem Holzsitzmöbel breitgemacht.
    »Frau Wiechers ist Lehrerin an Ihrer Schule?«
    »Jaaa«, antwortete van Oy gedehnt.
    »Können Sie Ihre Kollegin beschreiben?«, bat
Christoph.
    »Ina Wiechers ist etwas über eins siebzig. Schlank,
sportliche Figur, schulterlanges nussbraunes Haar. Sie ist siebenunddreißig,
nein – warten Sie. Ich glaube, achtunddreißig Jahre alt und unterrichtet bei
uns seit vier Jahren Mathematik und Französisch, hilft aber auch in anderen
Fächern aus. Was ist mit ihr?«
    »Hat Frau Wiechers Angehörige? Familie?«
    »Sie ist nicht verheiratet und hat auch keine Kinder.
Soweit mir bekannt ist, lebt sie allein. Warum fragen Sie das?«
    »Wo wohnt Frau Wiechers?«
    »Ich glaube, in Lunden. Genau weiß ich das nicht. Ich
habe nicht alle persönlichen Daten des Kollegiums im Kopf. Unsere Sekretärin
ist seit zwei Wochen krank. Und einen Ersatz stellt man uns nicht, weil die
Personaldecke zu dünn ist. Wenn Sie möchten, könnte ich nachsehen.«
    »Bitte.«
    Van Oy war irritiert, weil Große Jäger sich einen
Bleistift aus einer runden Box genommen hatte, die auf dem Schreibtisch des
Schulleiters stand und abwechselnd mit den beiden Enden auf das Holz klopfte.
    »Können Sie das nicht lassen?«, bat van Oy, stand auf
und ging in den Nebenraum.
    »Der ist aber nervös«, stellte der Oberkommissar leise
fest. »Sind das heutzutage alle Lehrer? Was sollen wir denn sagen? Die haben
doch nur einen Halbtagsjob.«
    »Du und deine gesegneten Vorurteile«, entgegnete
Christoph und sah den Schulleiter an, der mit einem schmalen Hefter in der Hand
zurückkam.
    »Hier habe ich die Anschrift. Sie wohnt nicht in
Lunden, das war ein Irrtum, sondern am Norderring in Garding.«
    »Können wir jetzt mit Herrn Hauffe sprechen?«, bat
Christoph.
    Der Schulleiter sah auf die Uhr. »Hat das noch zehn
Minuten Zeit? Dann haben wir Pause. Ich kann den Kollegen nicht so einfach aus
der Klasse holen. Er ist in der zehnten. Das ist eines unser Problemfelder.«
    »Wo dürfen wir warten?«
    »Macht es Ihnen etwas aus, auf dem Flur zu warten?«
Van Oy ließ die Hand über den Papierbergen auf seinem Schreibtisch kreisen.
»Das käme mir sehr gelegen. Ich ersticke in Arbeit. Und wie gesagt … Unsere
Sekretärin ist ausgefallen.«
    Große Jäger erhob sich. Mommsen öffnete die Tür, und
im Gänsemarsch verließen die drei Polizisten den Raum. Bevor Christoph die Tür
hinter sich geschlossen hatte, drehte er sich noch einmal um.
    »Übrigens, Herr van Oy. Sie haben gar nicht gefragt,
weshalb wir Erkundigungen über Frau Wiechers einziehen.«
    Irritiert sah der Schulleiter Christoph an. Dann fuhr
er sich mit gespreizten Fingern durch die Haare.
    »Ja – richtig. Was wollen Sie von ihr?«
    »Nichts.«
    »Das verstehe ich nicht«, stammelte van Oy.
    »Wir können nichts mehr von ihr wollen. Frau Wiechers
ist tot.«
    »Das ist nicht wahr …«, entfuhr es dem Schulleiter,
bevor er in seinem Stuhl zusammensackte wie eine Aufblaspuppe, aus der man die
Luft hat entweichen lassen.
    Kaum erschallte die Schulglocke, als die Türen der
Klassenräume aufgerissen wurden und die Schüler durch die engen Türen auf
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