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Tod am Kanal

Tod am Kanal

Titel: Tod am Kanal
Autoren: H Nygaard
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die
Flure drängten. Der Geräuschpegel stieg an, und ganze Klassenverbände strömten
an den drei Polizisten vorbei.
    Im Gedränge trat ein bullig wirkender Schüler Große
Jäger auf die Füße. Der junge Mann sah den Oberkommissar an, schüttelte den
Kopf und traf ihn mit dem zweiten Fuß erneut.
    Große Jäger packte den Schüler am Arm und hielt ihn
fest.
    »Kann ja mal vorkommen, Kindchen, aber dann
entschuldigt man sich. Oder steht das höfliche Miteinander nicht auf eurem
Lehrplan?«
    Der Jugendliche war von kräftiger Statur, aber der
Versuch, sich einen Bart wachsen zu lassen, sah noch sehr verunglückt aus. Die langen schwarzen Haare und die dunklen Augenbrauen verliehen ihm einen düsteren
Eindruck. Er versuchte, sich mit einem Ruck zu befreien. Aber Große Jäger hatte
ihn fest im Griff und verstärkte den Druck erneut.
    »Was soll das, Opa? Stell deine Quanten nicht in den
Weg«, begehrte der Schüler auf. Sofort bildete sich ein Rudel. Die anderen
Kinder blieben stehen. Von hinten drängten weitere nach. Ein Schüler mit
rostfarbigem Haar und einem von Akne gezeichneten Gesicht zerrte von der
anderen Seite an Große Jägers Widersacher.
    »Komm, Nico, lass doch. Wir wollen eine durchziehen.«
    Große Jäger gab den Arm des Jugendlichen frei. »Das
nächste Mal bist du freundlicher.«
    Nico pustete dem Oberkommissar ins Gesicht. »Spiel
dich nicht auf, Opa. Das geht auf den Kreislauf«, sagte er unter dem Gejohle
seiner Kameraden und zog mit dem übrigen Tross davon.
    »Troll dich, Ziegenbart«, rief Große Jäger hinterher
und erntete dafür einen Stinkefinger von Nico.
    Als sich der Ansturm gelegt hatte, kamen die Lehrer
über den Flur. Einige nickten den Besuchern freundlich zu, andere beließen es
bei einem grußlosen Passieren.
    Ein mittelgroßer Mann mit ausgebeulter Jeans und einem
gestreiften Sweatshirt kam auf sie zu. Der Mann hatte krause Haare und einen dunklen
Teint.
    »Hauffe«, sagte er und streckte zuerst Christoph, dann
den beiden anderen die Hand entgegen. »Herr van Oy hat mich informiert, dass
Sie mich sprechen wollten.«
    »Wie hat er das gemacht?«, fragte Große Jäger.
»Solange wir vor der Tür warten, hat er sein Zimmer nicht verlassen.«
    Hauffe zauberte ein Handy aus der linken Hand.
»Hiermit.«
    »Und da ruft er Sie mitten im Unterricht an?«
    Ein Lächeln huschte über das Antlitz des Lehrers. »Im
Unterschied zu den Schülern habe ich mein Gerät auf Vibrationsalarm
eingestellt. Sie haben keine Vorstellungen, wie oft ein Handy den Unterricht
stört.«
    »Und das lassen Sie klaglos zu?«
    »Ich glaube, Sie haben keine Kinder«, sagte Hauffe zu
Große Jäger gewandt. »Das sind noch die harmlosesten Dinge, die wir Lehrer ertragen
müssen.« Dann wurde er ernst. »Ich habe vom Direx eine SMS bekommen, mit der er mich vorgewarnt hat. Angeblich soll
Ina Wiechers etwas zugestoßen sein. Ich mag es nicht glauben.«
    »Leider entspricht es den Tatsachen. Ihre Frau hat die
Tote entdeckt«, sagte Christoph.
    Erstaunen trat in Hauffes Augen. »Sie meinen doch
nicht etwa …? Die Frau, die Renate von unserem Fenster aus im Kanu gesehen
hat?«
    »Genau die. Ina Wiechers wurde direkt vor Ihrer
Haustür gefunden. Sie haben Ihrer Frau geraten, die Polizei zu verständigen?
Das hat uns zumindest Ihre Gattin berichtet.«
    »Ja, das stimmt.«
    »Auf die Idee, selbst nach dem Rechten zu sehen, sind
Sie nicht gekommen?«
    »Die Zeit war knapp. Unsere Tochter, die auch diese
Schule besucht, hat wie fast jeden Morgen getrödelt. Und als Lehrer kann man es
sich nicht leisten, zu spät zum Unterricht zu kommen.«
    »Es wäre kein Umweg gewesen. Sie hätten nur drei
Schritte bis zum Ufer machen müssen.«
    »Ich erklärte Ihnen bereits, warum ich es eilig
hatte.«
    »Wann haben Sie Frau Wiechers das letzte Mal
gesehen?«, mischte sich Große Jäger ein.
    Hauffe überlegte. »Gestern. Nach der Schule.«
    »Hat sie erzählt, was sie für den Nachmittag und den
Abend geplant hatte?«
    »Nein, darüber haben wir nicht gesprochen. Wir sind …
waren Kollegen. Über private Dinge haben wir uns nicht ausgetauscht.«
    Christoph übernahm die nächste Frage. »Hatte Frau
Wiechers Familie? Freunde? Lebte sie mit jemandem zusammen?«
    »Soweit mir bekannt ist, hat sie allein gewohnt. Über
ihre Freizeitgestaltung kann ich nichts sagen.«
    Sie wurden durch das Läuten der Glocke unterbrochen.
    »Sie müssen mich entschuldigen«, sagte Hauffe. »Ich
muss wieder zum Unterricht.« Er hob die Hände als Geste der
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