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Tod am Kanal

Tod am Kanal

Titel: Tod am Kanal
Autoren: H Nygaard
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nicht, was du meinst.« Renate wollte sich
umdrehen, aber er hielt sie am Ärmel fest.
    »Das Kanu, das halb unter der Holzbrücke liegt.«
    »Na und?«
    »Mir ist es schon vorhin aufgefallen. Da liegt jemand
drin.«
    Renate Hauffe kniff die Augen zusammen. »Ich brauche
meine Brille«, sagte sie und holte sich die Sehhilfe vom Couchtisch.
Angestrengt blinzelte sie durch die Gläser. »Tatsächlich. Ich glaube, du hast
recht.«
    »Merkwürdig«, stellte Hauffe fest. »Wer legt sich zu
dieser Stunde in ein Kanu?«
    »Ist doch nicht unser Problem«, entgegnete seine Frau
unwirsch und sah auf die Armbanduhr. »Ach, Mensch, jetzt ist es wieder so spät.
Du musst los. Jetzt hocke ich allein vor dem ganzen Frühstück. Ich mag nicht
mehr.«
    Hauffe fuhr sich mit der Hand übers Kinn. »Sieht aus
wie ‘ne Frau. Die ist mir schon vor einer Stunde aufgefallen.«
    »Was geht mich jemand an, der besoffen in einem Boot
schaukelt.« Renate Hauffe drehte sich um und setzte sich an den Tisch.
    Auch Hauffe wandte sich vom Fenster ab. Er betrachtete
seine Frau. Die dunkel getönten Haare hingen strähnig auf die Schulter. Der
Jogginganzug, den sie oft im Haus trug, war ausgebeult und verdeckte nur
unzureichend die Polster, die sich im Laufe der Jahre angesammelt hatten.
Ungeschminkt unterschied sie sich schon seit Langem sehr von der Frau, die er
einmal geheiratet hatte. Und auch wenn sie sich zu besonderen Anlässen
ausgiebig der Politur ihres Äußeren hingab, war in seinen Augen der Glanz
früherer Jahre verblasst.
    »Du lässt dich gehn«, sagte er leise und dachte dabei
an das Chanson von Charles Aznavour. »Du solltest vielleicht einmal nachsehen,
was es mit der Frau auf sich hat«, warf er ihr im Vorbeigehen zu.
    Renate Hauffe hatte von einem Brötchen abgebissen. Sie
nahm einen Schluck Kaffee und antwortete mit vollem Mund: »Kannst du doch
machen, wenn du gehst.«
    Er hatte sich eine Jacke übergeworfen und seine
abgegriffene Aktenmappe geschnappt. »Ich muss jetzt zur Schule. Dann ruf doch
die Polizei, wenn du zu träge bist, nachzuschauen.«
    Ohne weiteren Gruß verließ er die Wohnung.
    Renate Hauffe griff zur Tageszeitung und blätterte
lustlos durch die Seiten. Die Worte ihres Mannes ließen ihr keine Ruhe. Sie
stand auf, trat erneut ans Fenster und sah auf den Burggraben hinab. Die Frau
lag immer noch reglos im Kanu. Mit einem Seufzer griff sie das Telefon, wählte
die Nummer und lauschte einer sonoren Männerstimme, die sich mit
»Polizeinotruf« meldete.
    »Hauffe, Friedrichstadt. Wir wohnen am Mittelburgwall.
Direkt gegenüber dem Marktplatz. Von meinem Fenster aus sehe ich im Burggraben
ein Kanu, in dem eine Frau liegt. Glaube ich wenigstens.«
    »Ist das direkt vor Ihrer Tür?«
    »Ja.«
    »Haben Sie einmal nachgesehen, was mit der Person
ist?«
    »Nein. Das ist doch Ihre Aufgabe.«
    »Schön«, sagte der Polizist beim Notruf. »Wir schicken
einen Streifenwagen vorbei. Nennen Sie mir bitte Ihren Namen und Ihre
Anschrift.«
    Eine halbe Stunde später stand auf dem
Kopfsteinpflaster des Mittelburgwalls neben zwei Streifenwagen ein Ford-Kombi.
Mit diesem Fahrzeug waren drei Beamte der Kriminalpolizei gekommen.
Hauptkommissar Christoph Johannes stand am Ufer der Gracht und blickte auf die
leblose Frau im grün-weißen Kanu, das im Burggraben vertäut war. Das Boot war
so befestigt, dass es zur Hälfte durch die hölzerne Brücke verdeckt wurde, die
an dieser Stelle die Straße mit dem Marktplatz am anderen Ufer verband. Der
Leiter der Husumer Kriminalpolizeistelle beobachtete seine beiden Kollegen,
Oberkommissar Große Jäger und Kommissar Harm Mommsen, die sich vorsichtig dem
Fundort der Toten genähert hatten, dabei aber darauf achteten, mögliche
Tatortspuren nicht zu verwischen.
    »Es sieht aus, als wäre die Frau erdrosselt worden«,
sagte Große Jäger und kam ächzend wieder aus der Hocke empor. Er trug ein
kariertes Baumwollhemd und eine fleckige Lederweste, die nur unzureichend den
Schmerbauch verdeckte, der über der Gürtelschnalle der schmuddeligen Jeans
hing. Der dunkle Schimmer des Stoppelbarts und die ungewaschenen Haare mit den
ersten grauen Strähnen vervollständigten das Bild eines nicht vollkommen
gepflegten Mannes.
    »Was hast du sehen können?«, wandte sich Christoph an
Harm Mommsen, den jungen Kollegen, der auf der Brücke stand und von oben ins
Boot sah. Der Kommissar mit der sportlichen Figur wirkte im Unterschied zum
Oberkommissar wie aus dem Ei gepellt. Das blonde Haar lag in leichten
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