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Tochter der Träume / Roman

Tochter der Träume / Roman

Titel: Tochter der Träume / Roman
Autoren: Kathryn Smith
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Sekunde aufgesprungen, als Noah abgelenkt war. Er packte Noah an den Haaren und riss seinen Kopf ruckartig zurück. Ich schrie den Dämon an, sehr viel tiefer vom Anblick meines übel zugerichteten Doppelgänger-Ichs getroffen, als ich gedacht hätte. Dieser wiederum erfreute sich hämisch grinsend an Noahs Schmerz.
    »Zeit zu gehen, Kleiner.« Karatos schleuderte Noah in Richtung des noch immer offenstehenden Portals. Als Noah darauf zustolperte, kehrte meine Stärke zurück, und ich stürzte ihm mit einem Satz hinterher.
    Doch ich war es nicht, die Noah daran hinderte, durch das Portal in die Traumwelt zu fallen, wo Karatos mit Sicherheit Besitz von ihm ergriffen hätte. Es war Morpheus. Er packte Noah an den Schultern.
    »Hiergeblieben«, sagte er und schob Noah zur Seite, woraufhin er mir entgegentaumelte. Ich legte die Arme um ihn, zutiefst erleichtert, dass er noch da war und dass die gottverdammte Garde endlich eingetroffen war. Wir hielten einander fest umschlungen. Noahs Arme fühlten sich warm an. Es war mir egal, dass meine angeknacksten Rippen noch empfindlich waren. Er durfte mich umarmen, so fest er wollte, auch wenn seine Hände vom Kampf mit Karatos noch blutverklebt waren.
    Mein Vater, in dunkelblauem Hemd und Jeans, sah wie ein Bauarbeiter aus, der sich für eine Verabredung feingemacht hatte. Sein fahler Blick war auf Karatos geheftet. »Du kommst mit mir.«
    Mein Doppelgänger schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Du hast keine Wahl«, entgegnete Morpheus.
    »Ich werde hier bleiben.« Karatos hob den Kopf. »Ich werde hier sterben.« Und das würde er tatsächlich. Innerhalb der nächsten paar Minuten würde er langsam seine Gestalt verlieren und sich in nichts auflösen. Und das wäre, wie ich vermutete, erheblich leichter, als sich gegenüber denjenigen, die ihn auf diese Mission geschickt hatten, zu verantworten.
    Okay, war es wirklich so falsch, dass ich in diesem Augenblick sogar etwas Mitleid für das Ding empfand? Sicher, sobald sie zurück in der Traumwelt waren, würde mein Vater ihn vermutlich vernichten, aber es war schrecklich erbärmlich, wenn man sein Leben in einer Welt beenden musste, in die man nicht gehörte.
    Morpheus durchquerte das Zimmer, das dumpfe Geräusch seiner Arbeiterstiefel war mit jedem Schritt zu hören. Er legte den Arm um die Schultern meines Doppelgängers, und für einen kurzen Augenblick sah ich, wie wir beide nebeneinander aussehen mussten. Ich entdeckte die Ähnlichkeit zwischen uns. »Komm nach Hause, kleiner Traum. Wir haben viel zu bereden.«
    Zum Beispiel, für wen Karatos arbeitete.
    Der Dämon blickte wie ein erschrockenes kleines Mädchen zu ihm auf. »Und du wirst mich nicht vernichten?«
    Mein Vater lächelte ihn sanft an, wie ein Vater sein Kind anlächelte, wenn es etwas ausgefressen hat. »Nein.«
    Fast hätte ich meiner Empörung darüber Luft gemacht, wenn nicht plötzlich seine Stimme in meinem Kopf ertönt wäre:
»Vernichten, nein. Neu erschaffen, ja.«
»Neu erschaffen« bedeutete, wenn mich nicht alles täuschte, so viel wie »recyceln«. Seltsam, aber wahr. Karatos würde also wieder erschaffen werden, als etwas, das weniger verzerrt und böse war. Für ihn war das so etwas wie eine zweite Chance, vermutete ich.
    Ob der Dämon diese Chance verdient hatte, wagte ich zu bezweifeln, aber das war nicht meine Entscheidung, sie lag allein beim König, dem Herrscher über alle Traumwesen.
    »Ich werde dafür sorgen, dass du nicht entkommst«, sagte Morpheus und ließ eine Art Reif um den Hals des Dämons zuschnappen, ein breites, goldenes Halsband, das mit Juwelen besetzt war. Ich betrachtete mein Doppelgänger-Ich und stellte fest, dass mir so ein Stück gut stehen würde, selbstverständlich ohne das blutüberströmte Gesicht. Der Halsreif war etwa das Gegenstück zu einer elektronischen Fußfessel, und ich hätte nichts dagegen, so ein Ding irgendwann einmal in mein Waffenlager aufzunehmen.
    Karatos verwandelte sich in seine ursprüngliche Gestalt zurück, als er durch das Portal schritt, wo ihn auf der anderen Seite die Königliche Garde in Gewahrsam nahm. Mein Vater drehte sich noch einmal zu mir um und breitete seine Arme aus.
    »Bist du verletzt?«
    Ich löste mich aus Noahs Umarmung und ging auf ihn zu. Er drückte mich sanft an sich, und ich fühlte, wie mich eine seltsame Wärme von Kopf bis Fuß durchlief. Er heilte mich. Er konnte mich tatsächlich in dieser Welt heilen.
    Wie es schien, war ich nicht die Einzige, die Dinge tun konnte,
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