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Titanus

Titanus

Titel: Titanus
Autoren: Eberhardt del'Antonio
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so daß er um Atem ringen mußte. Seine Glieder waren nicht fähig, die geringste Bewegung auszuführen. Sogar der Fluß seiner Gedanken war gehemmt. Und obwohl er nicht zum ersten Male in den Raum hinausflog, bedrängte ihn dieser hilflose Zustand. Nur die Gewißheit, daß er nicht allein war, erleichterte ihn. Er lag mit geschlossenen Augen, innerlich zwiespältig und bedrückt. Jetzt, da die große Reise begonnen hatte, wurde er sich zum ersten Male bewußt, worauf er sich eingelassen hatte.
    Jahrelang mit zweihundertvierzig Menschen unterwegs, ringsum die unermeßliche Weite, das abgrundtiefe Nichts, eingeschlossen in einen Kasten aus Kunststoff, der jeden Diamanten an Härte übertraf. Und nicht davon überzeugt, daß dieser Kasten der Belastung gewachsen war! Woran lag das nur? Überschritt die Kosmos sein Vorstellungsvermögen? Er wehrte sich gegen diesen Flug, weil er gewohnt war, Raumschiffe auf größeren Flügen zu erproben. Und hatten sie mit der Kosmos etwa nicht… Doch, man hatte die gleichen Routen beflogen, aber was bedeutete das schon für ein Lichtstrahltriebwerk! Das verlangte ganz andere Strecken, wenn es auf Herz und Nieren geprüft werden sollte. Aber was wollte er denn – entsprach der Flug nicht einer größeren Strecke? Oder – hatte er damals nur abgesagt, weil Jadwiga in sein Leben getreten war?
    Jansen stöhnte. Seine Nachbarn beachteten es nicht. In diesen Minuten mußte jeder sehen, daß er selber mit dem Beschleunigungsdruck fertig wurde. Mochte einer ruhig stöhnen, wenn es ihn erleichterte!
    Ob sich Jadwiga klar darüber war, welchen Entschluß er gefaßt hatte? Ob sie ihr Nein bereute?
    Und er war von der Erde geschieden ohne Abschied; eingestiegen wie in eine Vorortbahn, als käme er in einigen Stunden zurück! Aber er flog nicht ins Wochenende; wer weiß, ob sie jemals zurückkamen! Und wenn, dann lebte keiner mehr, weder die Eltern noch Jadwiga…
    Nicht daran denken!
    Er öffnete die Augen, um sich abzulenken.
    Über ihm hingen die Decke und die Treppe, die geländerbewehrt in die oberen Stockwerke führte bis in den Bugraum, in dem die Piloten regungslos in den Polstern lagen und unter Anspannung aller Kräfte die Meßgeräte über ihren Köpfen beobachteten. Die Hände auf der Druckknopfschaltung, die seitlich an den Polsterpritschen angebracht war, konnten sie jederzeit eingreifen, falls die automatische Steuerung versagte.
    Jansen kannte jede Einzelheit dieser Zubringerraketen. Gequält schloß er wieder die Augen.
    Sie liebte ihn, hatte sie gesagt, gerade deshalb müsse er sie verstehen. Offenbar war sie derselben Ansicht wie die Pedanten des Gesundheitsministeriums. Strahlengefährdet – pah, diese Überängstlichkeit! Seine Gedanken verwirrten sich.
    Milliarden Menschen empfanden die Raumfahrt als selbstverständlich, kein Mensch hätte Notiz genommen, wenn sie nicht Jahrhunderte irdischer Entwicklung überspringen würden.
    Sollten diese Quengler doch erst einmal mit einer »gewöhnlichen« Rakete einen »gewöhnlichen« Flug zur »gewöhnlichen« Weltraumstation unternehmen – sich Zentnergewichte auf die Brust setzen lassen und halbtot um Atem ringen…
    Plötzlich ließ der Druck nach, der Körper verlor sein Gewicht. Es war, als fiele er, schnell und unaufhaltsam. Nie hatte er die Schwerelosigkeit als so beängstigend empfunden. Wo war nur oben, wo unten?
    So war einem zumute, der zuviel getrunken hatte!
    Er öffnete die Augen und wandte sich haltsuchend um. Neben ihm lag ein Mann mit schwarzem Lockenkopf, dem man den Italiener ansah. Er schien direkt einem Reiseprospekt entstiegen zu sein.
    Teufel, war der Italiener blaß! Dieses Gesicht – eine Marmormaske in schwarzem Rahmen.
    »Camerad di italiano!« begann Jansen unsicher.
    De Varenne unterbrach ihn. »Genosse Lazzarri spricht Esperanto, Genosse Jansen!«
    »Genosse Lazzarri, ist Ihnen schlecht, kann ich Ihnen helfen?« fragte Jansen, um den Italiener aus seinem Dämmerzustand zu reißen. So mitgenommen sah keiner der Männer aus.
    Der bleiche Mann mit den dunklen Locken öffnete die Augen und sah sich staunend um. Dann begriff er, wo er war.
    »Maria Mater dolorosa – o fürchterlich!« stöhnte er. »Wasser!«
    »Trinken Sie aus der Syphonflasche neben Ihrer Pritsche«, sagte Jansen beruhigend. Der Fruchtsaft war mit Anregungsmitteln angereichert und würde die Übelkeit schnell verscheuchen. Da sah er, wie Lazzarri emporschnellte, und zuckte zusammen. Hatte sich doch dieser Bursche nicht einmal
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