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Titan 01

Titan 01

Titel: Titan 01
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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wie ein Mensch leben kann…«
    Er knallte die Wohnungstür zu, um ihr Gekeife nicht mehr hören zu müssen, und blieb mit verzerrtem Gesicht im teppichbelegten Korridor stehen. Sein Magengeschwür machte sich wieder bemerkbar. Dann glitt die Lifttür auf, und der Liftmann rief fröhlich: »Guten Morgen, Mr. Born. Heute ist wieder mal ein prächtiger Tag.«
    »Das freut mich, Sam«, entgegnete W. ]. Born säuerlich. »Ich habe gerade ein überaus gemütliches Frühstück hinter mir.« Sam wußte nicht, was er von der Bemerkung halten sollte, und entschied sich für ein unsicheres Lächeln.
    »Wie ist denn die Lage an der Börse, Mr. Born?« erkundigte er sich, als die Kabine im Erdgeschoß hielt. »Mein Vetter hat mir geraten, Lunar Entertainment abzustoßen – er wird als Pilot ausgebildet –, aber das Journal schreibt von einem Aufwärtstrend.«
    »Wenn ich was darüber wüßte, würde ich’s Ihnen nicht sagen«, knurrte W. J. Born. »Sie sollten die Finger von diesem Geschäft lassen. Vor allem, wenn Sie Spekulieren als eine Art Gesellschaftsspiel ansehen.«
    Noch während der Taxifahrt in sein Büro war er verärgert. Sam, eine Million Sams, hatten auf dem Aktienmarkt nichts zu suchen. Doch sie hatten unleugbar ihre Finger darin, und die große Hausse von 1975 war ihnen zu verdanken. W. J. Born & Co. schwammen zufrieden mit, aber wie lange konnte dieser Boom noch anhalten? Sein Magengeschwür meldete sich schmerzhaft bei dem Gedanken.
    Er langte um neun Uhr fünfzehn an. Im Büro herrschte bereits Hochbetrieb. Die klappernden Fernschreiber, blinkenden Anzeigetafeln und hastenden Boten brachten die neuesten, heißesten Nachrichten von den Börsen in London, Paris, Mailand und Wien. Bald würden auch die Werte von New York einlaufen, etwas später würde sich Chicago, dann San Francisco melden.
    Vielleicht war heute der kritische Tag. Vielleicht eröffnete New York mit einem deutlichen Punktverlust der Mond‐Bergbau‐AG. Vielleicht reagierte die Chicagoer Warenbörse überempfindlich, und die Utah‐Uranium‐Aktien machten den Sturz aus Sympathie mit. Vielleicht riefen diese alarmierenden Nachrichten aus den Staaten an der Börse von Tokio eine Panik hervor, eine Panik, die zugleich mit der aufgehenden Sonne Asien wie eine Flutwelle überspülte, Wien, Mailand, Paris und London erfaßte und bei Börseneröffnung schließlich New York wiederum erreichte.
    Dominosteine, dachte W. J. Born. Eine Reihe aufgestellter Dominosteine. Wenn einer umfällt, kippen sie alle nacheinander um. Eine einfache und sichere Kettenreaktion. Ja, vielleicht war heute der Tag.
    Miß Illig hatte bereits ein Dutzend Anrufe von seinen persönlichen Vorzugskunden entgegengenommen und ihm die entsprechenden Vermerke auf den Schreibtisch gelegt. Er ignorierte die Notizen jedoch und sagte mitten in ihr Begrüßungslächeln hinein: »Verbinden Sie mich mit Mr. Loring.«
    Lorings Telefon läutete und läutete, während W. J. Born innerlich zu kochen begann. Das Labor war jedoch ein Riesenschuppen, und der Mann war während seiner Arbeit taub und blind für alles andere. Das wenigstens mußte man ihm lassen. Er war ein Spinner, er war unverschämt, er hatte einen Minderwertigkeitskomplex, der ihm bei den Ohren herauströpfelte, aber er war mit Fleiß und Eifer bei der Sache.
    Lorings unverschämte Stimme ertönte unvermittelt im Hörer: »Wer ist da?«
    »Born. Wie geht die Sache voran?«
    Eine lange Pause entstand, dann sagte Loring beiläufig: »Ich habe die ganze Nacht daran gearbeitet. Ich glaube, ich hab’s geschafft.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Irritiert: »Ich sagte, ich hab’s geschafft. Ich habe eine Uhr und eine Katze und einen Käfig mit weißen Mäusen für zwei Stunden ausgeschickt, und alles kam heil zurück.«
    »Sie glauben wirklich…«, begann W. J. Born heiser und fuhr sich über die trockenen Lippen. »Wie viele Jahre?« fragte er dann mit mühsamer Beherrschung.
    »Die Mäuse haben’s mir nicht verraten, aber ich glaube, sie haben zwei Stunden im Jahr 1977 verbracht.«
    »Ich komme sofort zu Ihnen«, sagte W. J. Born erregt und hängte ein. Seine Büroangestellten starrten ihm verblüfft nach. Wenn der Mann log… Nein, er log nicht. Seit er mit seinem Zeitmaschinenprojekt in Borns Büro vorgedrungen war, seit sechs Monaten also, hatte sein Vorhaben Borns Geld aufgesogen wie ein trockener Schwamm, aber gelogen hatte er nie. Mit brutaler Offenheit gab er seine Fehlschläge zu und äußerte Zweifel, ob das Ding überhaupt
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