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Titan 01

Titan 01

Titel: Titan 01
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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unternehmen sollte.
    Er rief den Männern mit den Gewehren zu: »Kommen Sie?«
    »Ich bring’ ihn um«, murmelte Thad, die auf ihn zielenden Gewehrläufe nicht beachtend, und bemühte sich, Mr. Grüns Griff zu entkommen. »Bitte, lassen Sie mich ihn umbringen.«
    »Moment mal, Mister«, sagte einer der Beamten. »Wir wollen Ihnen und Ihrer Frau nichts tun. Wir müssen nur das Baby mitnehmen. Nun machen Sie uns keine Schwierigkeiten, dann machen wir Ihnen auch keine.«
    Er und sein Begleiter begannen sich in Richtung Lacy zurückzuziehen, zielten aber immer noch auf Thad.
    Mit einer verzweifelten Anstrengung riß sich Thad endlich los. Er fiel zuerst der Länge nach hin, kam dann auf die Füße und rannte auf Lacy zu.
    Einer der beiden Beamten riß sein Gewehr herum. Er bekam Thads Rücken genau ins Visier. Er drückte ab.
    Mr. Grün nahm gedankenschnell seinen Hut herunter und schwenkte ihn in einer seltsamen Geste.
    Annies Schrei wurde mittendrin abgeschnitten. Plötzlich war alles still und starr.
    Annie stand mit offenem Mund da, die Hände vorgestreckt, als wollte sie Thad zurückreißen. Thad war in einer Stellung versteinert, die an das Foto eines ins Ziel stürmenden Sprinters erinnerte. Hinter ihm drückte Lacy reglos das Baby an sich, um es Thads Zugriff zu entziehen. Der eine Beamte stand wie eine Wachsfigur in einem Museum da, dramatisch auf sein Gewehr gestützt. Der andere Mann war in dem Augenblick erstarrt, da er das Gewehr an die Schulter riß.
    In der Mitte dieser makabren Szenerie glaubte Annie eine in der Luft schwebende Gewehrkugel in der Sonne aufblitzen zu sehen, die im nächsten Sekundenbruchteil in Thads Rücken einschlagen mußte. Der leichte Wind war erloschen, die Vögel verstummt, die Bäume unbewegt wie auf einem Bild. Nur Mr. Grün bewegte sich.
    Er ging zu Thad hinüber und stupste ihn an, so daß er vornüber umkippte. Dann begab sich Mr. Grün gemächlich zu Lacy und nahm ihm das Baby weg. Er wanderte zurück zu Annie. Seine jetzt nicht mehr von dem grünen Hut bedeckte Schädeldecke schimmerte seltsam. Die Beine und Arme des Kindes waren steif wie die einer Puppe, und sein kleines Gesicht zeigte einen Ausdruck festgefrorenen Schreckens.
    Mr. Grün hielt das Baby sanft in einem Arm, unmittelbar neben Annies ausgestreckten Händen. Er schaute sich um, wie um sich zu vergewissern, daß alles in Ordnung war, und setzte dann seinen Hut wieder auf.
    Augenblicklich erwachte alles wieder zum Leben. Es war, als ob eine Sturzflut von Geräuschen in das Vakuum der Stille einbräche und sich erst nach und nach auf die Gegend verteilte – der Knall eines Gewehrs, Vogelgezwitscher, das Flüstern des Windes in den Blättern.
    Annies Arme ergriffen instinktiv das angsterfüllte Kind. Mr. Grün schob sie vor sich her in die Hütte.
    Thad strampelte auf der Erde wie ein gestrandeter Fisch.
    Lacy schrie gellend auf, als die Gewehrkugel in seine Brust drang.
    Die Beamten kannten sich überhaupt nicht mehr aus.
    Lacy, der die Meldung gemacht hatte, war tot, getroffen von einem Fehlschuß des einen Beamten. Das Kind, wenn überhaupt eins dagewesen war, war nicht mehr aufzufinden. Die angeblichen Eltern, Mr. und Mrs. Coniker, behaupteten, daß es überhaupt kein Kind gegeben hätte – nur eine alte Puppe, die die Frau aus ihrer Mädchenzeit aufgehoben hatte und die sie als ihr Baby ansah. Die Beamten glaubten, ein richtiges Baby gesehen zu haben, aber Lacy war so schnell damit hinausgerannt, daß sie nicht sicher sein konnten.
    Der nasenlose Mann? – Das war am sonderbarsten. Sie hatten ihn gesehen, waren fest überzeugt davon – aber auch er war spurlos verschwunden.
    Eine Untersuchung wurde anberaumt, bei der der Beamte, der Lacy erschossen hatte, von jeder Schuld freigesprochen wurde. Der alte Fallensteller wurde begraben. Man entschuldigte sich bei den Conikers. Und dann ließ man sie allein.
    Thad war mit dem Herrichten des Dochtes fertig und zündete die Petroleumlampe an. Er hängte sie an ihren Haken an der niedrigen Balkendecke und setzte sich an den Tisch. Annie starrte die leere Wiege an.
    »Er hat nicht gesagt, daß er zurückkommt?« fragte Thad.
    »Nein. Er sagte, daß es Zeit sei, aufzubrechen, und ich gab ihm noch ein paar Reservewindeln und eine Flasche mit Hautöl mit. Es war nicht viel Zeit. Und draußen passierten diese seltsamen Dinge.«
    »Und was hat er dann gemacht?«
    »Er setzte sich einfach hin, den Kleinen auf dem Schoß, und spielte mit ihm, und der Junge war vergnügt und
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