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Tims gefährlichster Gegner

Tims gefährlichster Gegner

Titel: Tims gefährlichster Gegner
Autoren: Stefan Wolf
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seine Möbel umarmen. Was für ein Unterschied! Die
Gefängniszelle und das hier.
    Sein Blick glitt zum
Schreibtisch. Dort lagen Papiere, die — das wusste er genau — vor zwölf Monaten
dort nicht gewesen waren. Doch nicht etwa von Daniela, dieser dämlichen Zicke?
Dass sie ihren Abschiedsbrief in den Knast schickte, war typisch für sie. Nun,
er hatte ihr keine Träne nachgeweint. Auch seinem Bruder nicht, diesem
nützlichen Idioten, der an seinem Schicksal selbst schuld und nun schon zehn
Monate tot war. Andererseits brauchte man einem Toten die verauslagten 2000
Euro für Daniela nicht zurückzugeben. Ja, auch so konnte man das sehen.
    Er trat zum Schreibtisch, sah
das Geld und las Danielas Mitteilung.
    Für einen Moment drehte sich alles
um ihn. Sein Herzschlag setzte aus. Dieses Miststück! Das konnte nicht wahr
sein!
    Im Schlafbereich riss er den
Kleiderschrank auf. Leere gähnte ihn aus dem Mittelteil an. Ein fünf Anzüge
breites Loch zwischen den anderen Klamotten. Und vor allem: Der pflaumenblaue
Caldo-Versatscho-Anzug war nicht mehr da.

    Panik überrieselte Henning wie
eine eiskalte Dusche.
    Er holte die Autoschlüssel aus
dem Schreibtisch und hetzte zur Tür. Im selben Moment ertönte die Klingel.
    Er stoppte und äugte durch den
Türspion.
    Ja, sie waren da: Jurij Zelvao
und Algirdas Satantai.
    Er holte tief Luft. Er wartete
einen Moment, bis seine Hände nicht mehr zitterten. Die Klingel schepperte ein
zweites Mal. Er öffnete.
    »Hallo, Henning!«
    Beide grinsten. Jurij umarmte
ihn. Algirdas schlug ihm erst auf die Schulter, klatschte ihm dann
freundschaftlich auf die Wange.
    »Hallo, Freunde!« Auch Henning
grinste. »Kommt rein. Sie haben mich erst heute Morgen entlassen. Ihr wart
gestern schon da, wie ich vom Hausmeister hörte.«
    »Auf einen Tag länger kommt es
jetzt nicht mehr an«, sagte Jurij.
    Im Wohnraum setzten sie sich.
Henning hatte nichts zum Anbieten. Aber das war auch nicht wichtig.
    Die beiden kamen aus Litauen.
Jeder beherrschte drei oder vier Fremdsprachen. Beide sprachen gut Deutsch. Auf
den ersten Blick wirkten sie wie Brüder. Aber es bestand keine Verwandtschaft.
Beide waren groß, Mitte dreißig, knochig. Beide hatten hellhäutige, wie
steingemeißelte Gesichter, fischige Augen und dünnes, farbloses Haar. Sie
trugen Anzüge und Krawatten. In der litauischen Stadt Kaunas betrieben sie in
einem alten Gebäude in einem tiefen, schallisolierten Keller eine
Geldfälscherwerkstatt, die ihresgleichen suchte. Sie druckten Euro-Banknoten.
Hunderter. Perfekte Blüten. Selbst erfahrene Kriminalisten und Banker taten
sich schwer, die gefälschten Scheine von echten zu unterscheiden. Henning
schätzte, dass sie Falschgeld ungefähr im Nennwert von 50 Millionen Euro
gedruckt und in den EU-Staaten in Umlauf gebracht hatten. Sie hatten zu tun.
Sie waren beschäftigt. Deshalb war es ihnen auch nicht so eilig gewesen mit ihm
und seiner entsetzlichen Panne. Allerdings hat jede Geduld ihre Grenzen. Und
sein Missgeschick war nun voll ausgereizt. Mehr ging nicht.
    »Wir sind seit einer Woche
hier«, sagte Jurij. »Und schon zweimal hat die Presse über uns berichtet. Hast
du’s gelesen?«
    »Äh... was meinst du?«
    »Raubüberfälle«, grinste
Algirdas. Sein linker Mundwinkel war von einer Narbe gespalten. »Damit wir uns
nicht langweilen. Das war ja früher unser Job. Und es geht noch. Zwei
Juwelierläden haben wir ausgeräumt am helllichten Tage. Dabei tragen wir
Masken. Menschliche Masken aus ganz dünnem Kunststoff. Erst aus unmittelbarer
Nähe siehst du, dass es Masken sind.«
    Henning staunte. »Seid ihr die
Eisgesichter?«
    »So nennen sie uns.«
    »Das habe ich gelesen. Au
Backe! Warum geht ihr das Risiko ein?«
    »Null Risiko«, sagte Jurij.
»Uns erwischt keiner.«
    Henning nickte. Gleich würden
sie zum Thema kommen.
    Kennen gelernt hatte er die
beiden in Hamburg, vor drei Jahren, als er dort den Bodyguard machte für einen
zwielichtigen Gebrauchtwagenhändler aus Wien. Bald wurde klar, dass sie von
gleicher Couleur ( Prägung) waren, und eine Zusammenarbeit entwickelte
sich. Aber er, Henning, war immer nur der Handlanger. Sie waren die Bosse. Die
krummen Geschäfte gipfelten darin, dass er für sie Kurierdienste übernahm. Er
transportierte Falschgeld im doppelten Boden seines Wagens. Er fuhr lange
Routen von Kaunas in die Hauptstädte der EU-Länder und verteilte das Falschgeld
an handverlesene Kleinganoven. Die sorgten dafür, dass die Blüten in den
Geldumlauf kamen, tauschten
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