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Tims gefährlichster Gegner

Tims gefährlichster Gegner

Titel: Tims gefährlichster Gegner
Autoren: Stefan Wolf
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sechs Rechtschreibfehler, die sie aber ausbessern
konnte, da sie mit Bleistift schrieb. Die Adresse — an Henning Lissenfuhl in
der Justizvollzugsanstalt Pleihütte — wurde mit Kugelschreiber in
Druckbuchstaben gemalt.
    Auf dem Weg zur
Kleinkutür-Straße kamen die beiden am Postamt vorbei und Dani warf den Brief
ein.
    Es war ein heißer Julitag. Die
ganze Stadt schwitzte.
    Unterwegs kauften sich die
beiden ein Eis. Daniela nahm Vanille und Schoko, Dani Mokka und Zitrone. Sie
lutschten noch an den Waffeln, als sie in der Kleinkutür-Straße in die etwas
düstere Ladenpassage einbogen. Die Gegend war nicht nobel. Kleine Läden versuchten,
sich über Wasser zu halten. Jochens Schneiderstube lag auf der rechten Seite:
ein schmales Schaufenster, hinter dem ein grauer Vorhang den Einblick
verwehrte, daneben die Glastür, etwas schmuddelig und ebenfalls mit Vorhang.
Hinter der Türscheibe hing ein Schild mit den Geschäftszeiten. Auf dem
Schaufenster war in weißen Buchstaben bogenförmig der Schriftzug gemalt: Jochens
Schneiderstube.
    Daniela schob sich den
Waffelrest in den Mund und drückte mit der gesunden, linken Hand auf die
Klinke. Die Tür gab nicht nach.
    »Geschlossen.«
    Dani studierte das Schild mit
den Öffnungszeiten. »Er müsste aber geöffnet haben.«
    Für einen Moment waren sie
ratlos.
    Auf der gegenüberliegenden
Seite der Passage wurde eine Tür geöffnet. Die beiden drehten sich um.
    Der Geschäftsnachbar von
Jochen, wenn man so will, war ein Antiquar (Händler mit alten Büchern). Dr.
O.L.D. Rieding — Antiquariat stand auf der Schaufensterscheibe.
Durch die konnte man in den Laden blicken, den Bücherregale bis unter die Decke
füllten, dazu Kisten und Tische voller alter Bücher, darunter sicherlich auch
Kostbarkeiten aus dem vorvorigen Jahrhundert. Der Inhaber — er musste es sein —
langweilte sich offenbar und war herausgekommen, ein älterer Mann mit grauem
Bart und goldgeränderter Brille. Er trug trotz der Hitze einen dunklen Anzug
mit Weste. Auch der konnte durchaus aus dem vorvorigen Jahrhundert sein.
Jedenfalls hing Dr. Rieding eine Uhrkette vor dem Bauch und die Taschenuhr
wölbte die dafür vorgesehene Tasche in der Weste.
    Er blickte ernst. »Tag, die
Damen. Sie wollen zu Schneidermeister Lissenfuhl? Wenn Sie bei ihm ein
Kleidungsstück haben, müssen Sie sich wegen der Herausgabe an die Polizei
wenden.«

    Dani blickte verwirrt.
    Daniela sagte: »Ich verstehe
nicht. Warum denn das?«
    »Lissenfuhl ist tot.« Er sagte
es mit einer gewissen Zufriedenheit. Offenbar waren sie nicht die besten
Nachbarn gewesen.
    »Tot?« Daniela dachte, sie
hätte sich verhört.
    »Ja. Gestern.«
    »Gestern?«
    »Gestern ist er gestorben. Er
war drogensüchtig. Ich hatte es beinahe vermutet. So wie der aussah. Gestern
hat er sich eine Überdosis gespritzt. Eine Kundin fand ihn. Er lag hinter dem
Verkaufstisch, neben ihm die Spritze. Die Frau hat einen Schock bekommen, ist
schreiend herausgelaufen und gleich zu mir rein. Ich habe dann die Polizei
verständigt.«
    »Schrecklich so... so ein
Ende«, sagte Daniela. »War es Selbstmord oder...?«
    »Die Polizei meint, es sei ein
Versehen. Der goldene Schuss, den der geschwächte Organismus nicht mehr
verträgt.«
    Daniela nickte und dachte:
Hände weg von den Lissenfuhls! Der eine sitzt im Knast, der andere war ein
Junkie und gibt jetzt schon den Löffel ab. Aber mein Geld hole ich mir
trotzdem.
    Dr. Rieding gähnte und nahm zu
spät die Hand vor den Mund. »Drogen müssen nicht sein. Wenn Sie wissen wollen,
wie man vor 50 oder 100 Jahren darüber dachte, kann ich Ihnen helfen. Habe da
sehr interessante Lektüre.«
    »Vielleicht ein anderes Mal.«
Daniela wandte sich zum Gehen.
    Dani nahm den beknabberten Zopf
aus dem Mund und schritt neben ihr her. »Wie gut kanntest du ihn?«
    »Nur flüchtig. Er war drei-
oder viermal dabei, wenn ich mit Henning beim Italiener saß. Hat aber in der
Pasta immer nur rumgestochert.«
    »Was wirst du jetzt tun?«
    »Wir gehen in Hennings
Wohnung.«
    »Du willst nach Geld suchen?«
    »Nach Wertgegenständen. Es
sollte mich wundern, wenn wir auch nur einen Euro finden.«
    »Was nützen dir
Wertgegenstände?«
    »Vielleicht ist was dabei fürs
Pfandhaus.«
    Dani lachte, wobei sie meistens
die Lippen fest schloss. Sie war sich der schiefen Zähne bewusst und verfluchte
ihre Eltern, die nicht darauf gedrungen hatten, dass sie vor zehn Jahren oder
so eine Zahnspange bekam.
    Sie holten sich noch ein Eis.
Zum Mäfär-Block hätten
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