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Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Henry Winterfeld
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Roman, in dem einer der beiden Haupthelden Thomas heißt und das tapferste Mädchen Marianne, wie Thomas’ 1931 geborene Cousine. Einen Roman, in dem die bestehende Ordnung auseinanderfällt, so wie sich die Wirklichkeit für Thomas zu dieser Zeit darstellen musste. Nach all den Erlebnissen des letzten Jahres musste er sich ausgeliefert fühlen wie nie zuvor und dann war er auch noch krank und körperlich geschwächt.
    Was bedeutete das für die Geschichte aus Timpetill?
    Meist erzählen Schriftsteller ihre Romane einem unbestimmten Leser. Während man schreibt, weiß man nicht, wer später das Buch lesen wird, man erzählt also einfach in die Öffentlichkeit hinein, wer auch immer das dann konkret sein wird. Wie schon gesagt: Ausgangspunkt für die Ideen ist immer allein der Schriftsteller, sein Leben und seine Wahrnehmung der Welt. Er sortiert und filtert alles so, wie er es für die Geschichte für richtig hält. Timpetill aber richtet sich erst in zweiter Linie an diese unbestimmte Öffentlichkeit, sondern zunächst ganz konkret an einen einzigen Menschen, noch dazu den Sohn des Schriftstellers. Und das bedeutet, die Ideen wurden auch nach Thomas’ Leben gefiltert; ausgewählt nach dem, was sein Vater ihm über die Welt sagen will; nach dem, was Henry meint, es würde seinen Sohn unterhalten und aufmuntern.
    Natürlich muss man mit Vermutungen über Hintergründe zu einem Werk immer vorsichtig sein, denn manches scheinbar Offensichtliche ist letztlich doch nur Zufall und manches scheinbar Nebensächliche eine große Anspielung. Auch wissen wir nicht, wie weit der Roman noch einmal überarbeitet und verändert wurde, bevor er 1937 im Schweizer Corrodi Verlag erscheinen konnte. Aber manches fällt doch auf.
    Thomas ist kein seltener oder ungewöhnlicher Name, viele Figuren heißen so. Aber wenn man einem Thomas die Geschichte eines Thomas erzählt, so muss man davon ausgehen, dass er sich in der Figur wiederfindet oder es zumindest versucht. Und wenn es dem Sohn gerade schlecht geht, dann macht man aus dem gleichnamigen Helden am besten auch einen richtigen Helden, der alles auf die Reihe bekommt. Das hilft beim Aufmuntern.
    Zugleich wählt Henry Winterfeld mit Timpetill ein erfundenes Städtchen als Handlungsort, was die ganze Geschichte von der Realität entfernt. Auch wenn sich die Wirklichkeit in der Geschichte spiegelt, so sollte es nicht die Wirklichkeit sein.
    Henrys Nichte Marianne Gilbert beschreibt in ihren Erinnerungen Das gab’s nur einmal , wie sie als kleines Kind von ihrer Mutter zur Strafe alleingelassen wurde. Auch wenn sich das wenige Jahre später ereignete, kann diese Erziehungsmethode dennoch sehr gut Eingang in den Roman gefunden haben. Doch ich denke, dass für das Verschwinden der Eltern in Timpetill anderes wichtiger ist, zumal der Plan der Eltern vorn und hinten nicht aufgeht – die meisten Kinder durchschauen den Trick, und die Erwachsenen machen sich komplett lächerlich, indem sie sich auch noch verlaufen. Viel entscheidender scheint mir, dass die Eltern zum einen den Piraten hilflos gegenüberstehen, und zum anderen, dass sie von einer fremden Staatsmacht aufgrund von haltlosen Verdächtigungen eingesperrt werden. Eine Staatsmacht, deren Offizier wenig vertrauenerweckend ist:
    »Der Kerl sah aus wie ein Räuberhauptmann in Uniform. Er ließ sich nicht im Geringsten aus der Ruhe bringen. Er grinste nur höhnisch, so dass ich ihm am liebsten eine gelangt hätte, und behauptete unentwegt: ›Alles Schmuggler! Alles beschlagnahmt!‹«
    Dass alles beschlagnahmt wird, ist die Erfahrung der Winterfelds mit der neuen Staatsmacht in Deutschland. Willkürlich festgehalten zu werden, war Henrys und Roberts Angst an der österreichischen Grenze. Auch wenn Thomas bei seiner Mutter im Zug war und nicht allein: Henry und Thomas hatten getrennt fliehen müssen und die Möglichkeit einer längeren Trennung lag in der Luft. Und Zufall oder nicht: Beim bayerischen Unterwössen, nahe der österreichischen Grenze, gibt es eine Ruine Rettenburg, und die Eltern aus Timpetill werden an einem Grenzort namens Rettenburg gefangen gesetzt.
    Der Roman zeigt, dass Kinder zur Not auch alles allein schaffen können, egal, wie sehr die gewohnte Ordnung um sie herum zusammenbricht. Mögen zum Teil auch erzieherische Gedanken dahinter stecken, dass die braven Kinder gewinnen und die Rabauken letztlich Vernunft annehmen oder eins auf die Mütze kriegen, so bin ich überzeugt, dass die besondere Verunsicherung zur
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