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Timm Thalers Puppen

Timm Thalers Puppen

Titel: Timm Thalers Puppen
Autoren: James Krüss
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nicht so viele Gäste. Das Hotel war grad erst frisch eröffnet. Aber die paar Gäste, die wir hatten, die haben sich erst beschwert und sind dann alle umgezogen in andere Hotels.«
    »Konnte man keine Abhilfe schaffen?«
    »Das hat mein Vater versucht, aber es hat nichts geholfen.
    Als er nämlich in der Fischbratküche die Abzugsrohre zugemacht hat, da war das ganze Fischrestaurant voller Qualm. Also mußte er die Rohre wieder aufmachen lassen.
    Und da roch es in allen Zimmern wieder nach Fisch.«
    »Und dann?« fragte der Reporter.
    »Dann hat mein Vater den Herrn Köhn, das ist der Besitzer von der Fischbratküche… also den hat er dann gefragt, ob er nicht woanders seine Fische braten könnte. Aber der Herr Köhn hat gesagt, er hat einen Zehn-Jahres-Vertrag, und er denkt nicht im Traum daran, sein Lokal woanders
    aufzumachen.«
    »Aber das mit den Rohren hätte sich doch sicher ändern lassen«, meinte der Reporter.
    »Aber nicht so schnell«, sagte Gabriela. »Die Rohre sitzen nämlich in den Wänden drin. Und wir konnten ja nicht überall die Wände aufmeißeln. Es war ja auch schon Wintersaison, und alle Betten waren für die Gäste aus Europa reserviert.«
    »Und was geschah dann?«
    »Na ja«, sagte Gabriela, »die Gäste sind gekommen und haben in allen Zimmern Fisch gerochen und sich sofort bei ihrer Reisegesellschaft beschwert. Die Reisegesellschaft hat sich dann wieder bei uns beschwert. Als aber der Fischgeruch noch immer nicht weg war, da hat sie ihre Kunden
    umquartiert. Und da war unser Hotel wieder leer. Und es roch immer noch nach Fisch.«
    »Und?«
    »Und dann hab ich aus Spaß und Quatsch diese Reklame an die Gartenmauer geschrieben. Mit Teer. In ganz großen Buchstaben.«
    »Und was hast du geschrieben?«
    »Ich hab geschrieben: Feiern Sie unbeschwerte
    Weihnachten in unserem Haus. Kein Geschenkezwang. Kein Christkinds-Geplärre. Kein Stille-Nacht-Gedudel. Kein zähes Truthahnfleisch. Statt dessen: Fischgeruch mit Meeresblick.«
    »Und auf diese Reklame kamen tatsächlich Gäste?« Der Reporter hob staunend die Brauen.
    Gabriela antwortete: »Sie kamen nicht direkt auf die Reklame. Sie kamen am Heiligen Abend, weil sonst nirgends Betten frei waren.«
    Gabriela erzählte dem Reporter nun ausführlich, was an jenem Heiligen Abend geschehen war, und der Reporter nahm es auf Band auf und schrieb’s danach mit seiner
    Schreibmaschine ab. Was er erfahren hat, las sich in seiner Zeitung später so:
    Vierundzwanzigster Dezember. Heiliger Abend. Zwei
    Charterflugzeuge mit je neunundachtzig Gästen schweben nacheinander auf dem Flugplatz von Las Palmas, Gran
    Canaria, ein. Landung. Ausrollen. Die Türen öffnen sich. Die Treppen rollen aus. Und hundertachtundsiebzig Gäste aus dem eiskalten Europa, Frauen, Männer, Kinder, freuen sich, als ihnen der warme Wind vom Meer entgegenschlägt, auf ein Weihnachtsfest unter Palmen in südlicher Sonne.
    Zur gleichen Zeit reden im Flughafengebäude zwei Männer auf eine blonde junge Dame ein. Der eine sagt: »Du mußt uns helfen, Heidi.« Der andere sagt: »Sonst gibt es eine Katastrophe.«
    »Aber was soll ich denn tun?« fragt die Reiseleiterin Heidi Krausberg, vierundzwanzig. »Sagt mir, was ich tun soll, und ich tu’s.«
    »Braves Mädchen«, sagt der schlankere der beiden Männer, Reiseboß Carlos Borns, einunddreißig. Dann erklärt er ihr, was sie tun soll: »Du bittest die Leute freundlich, noch einmal ins Flugzeug zurückzukehren. Dann gehst du nacheinander in jedes Flugzeug hinein und erklärst, daß die Buchungen für diesen Flug ein Irrtum gewesen sind. Es wären leider keine Betten frei. Sie müßten jetzt zurückfliegen nach Deutschland und dort das Weihnachtsfest feiern. Ihr Flug würde aber auf Wunsch für Ostern umgebucht. Dann wünschst du ihnen frohe Weihnachten, und ab damit.«
    Heidi Krausberg starrt ihren Boß mit offenem Mund an.
    »Ich soll den Leuten sagen, sie müssen zurück?« Sie zeigt auf fröhliche Menschen, die mit Taschen, Schirmen und
    ausgezogenen Mänteln gerade ins Flugplatzgebäude strömen.
    »Ich soll denen sagen…?«
    Die Reiseleiterin beendet ihre Frage nicht. Sie sinkt ohnmächtig auf den Marmorfußboden nieder. Die Männer geraten in Panik. Weder Boß Borns noch sein Assistent Micky Huß, neunundzwanzig, haben den Schneid, diesen
    ferienfröhlichen Menschen die Wahrheit ins Gesicht zu sagen.
    Sie tragen Heidi Krausberg in die Ambulanz und rasen dann in ihr Flughafenbüro.
    Zwanzig Minuten später. Die Reisenden haben
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