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Timm Thalers Puppen

Timm Thalers Puppen

Titel: Timm Thalers Puppen
Autoren: James Krüss
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erschrocken an und blickte dann hinüber zu dem Touristen. Doch der war nicht mehr da. Im Sande saß der hagere Herr im Glencheck-Anzug mit
    angezogenen spitzen Knien, die große Sonnenbrille vor den Augen, und sagte gerade: »Wissen Sie, unser Fischgeruch-Hotel, Herr Thaler…«
    »Ihr Hotel?« unterbrach ihn Timm.
    »Ich wollte sagen«, verbesserte sich der Baron, »falls das Hotel das meine wäre, würde ich alles so lassen, wie es ist. Ein bißchen Fischgeruch, das ist doch harmlos. Die Menschheit will nun mal betrogen sein. Und sehen Sie, jene Heilig-Abend-Gäste, Herr Thaler, die waren sehr glücklich, daß sie Betten hatten. Man muß doch sozial denken.«
    »Sozial denken? O Gott, und das aus Ihrem Munde?« Timm Thaler lachte so, daß ihm die Tränen in die Augen traten.
    Krescho aber (der, nebenbei, den Touristen nicht gesehen hatte und der nicht wußte, daß der Baron an dessen Stelle saß) sagte: »Vier Wochen Ferien mit Fischgeruch? Igittigitt!« Dann lachte er ein hübsches Bubenlachen, bei dem ich den Baron zusammenzucken und sich dann rasch erheben sah.
    »Es war mir ein Vergnügen, Herr Thaler, Ihrer Geschichte zu lauschen«, sagte er. »Sie erzählen nicht übel. Empfehl mich.«
    Der hagere Mann verbeugte sich leicht gegen uns und ging dann, schneller, als ich es ihm zugetraut hätte, davon.
    Krescho, der ihn zuerst betrachtet hatte, wie man im Zoo ein seltenes Tier begafft, lachte hinter ihm her und sagte: »Du meine Güte, was für ein altmodischer Onkel.« Er verbeugte sich übertrieben steif und äffte das »empfehle mich« des Barons mit hoher Stimme nach.
    Dann, da die Sonne unsere Badehosen längst getrocknet hatte, zogen wir uns wieder an, und Timm lud mich in den Bungalow ein, den er gemietet hatte.
    Auf dem Wege dorthin, unter dem Schatten von
    Pinienbäumen, sagte ich: »Der Baron, Timm, scheint
    tatsächlich deinetwegen hier zu sein.«
    »Ja«, sagte Timm. »Mir kommt es auch so vor.«
    »Was mag er von dir wollen?«
    »Er kann im Augenblick, so scheint’s, nicht lachen«, gab mir Timm zur Antwort. »Oder sagen wir’s besser so: Er hat im Augenblick kein passendes Lachen zur Hand oder zu Mund.
    Und da erbittert es ihn, wenn man lacht, und ganz besonders über das, was ihm das Heiligste auf Erden ist, über Geschäfte; denn wer darüber lacht, lacht über ihn.«
    »Aber er hat doch selbst gelacht nach der Geschichte«, sagte ich.
    »Nein«, sagte Timm, »der Baron hat nicht gelacht. Nur ein bleicher Tourist hat nach der Geschichte gekeckert.«
    »Welcher Tourist denn?« fragte Krescho.
    »Ein Bleichgesicht, das hinter uns gesessen hat«, antwortete sein Vater schnell. Und damit Krescho nicht weiterfragen konnte, fragte ich jetzt: »Warum seid ihr beiden Männer eigentlich allein auf Reisen?«
    »Weil meine Mutter in Övelgönne unser Marionettentheater ein bißchen herrichtet«, sagte Krescho. »Sie mag nicht gern reisen. Sie sagt immer: »Durchs Fenster sieht man auch sehr viel«.«
    Kurz darauf waren wir beim Bungalow angekommen, der
    weiß gekalkt war wie die anderen Bungalows unter den Pinien auch. Hier tranken wir ein wenig Wein, und eine Stunde später brachten die beiden mich zum Molo, von dem der Dampfer nach Venedig abfuhr.
    Auf dem Weg dorthin lud ich sie ein, mich in Venedig zu besuchen, und Timm nahm die Einladung an, gleich für den nächsten Tag. Krescho aber sagte, daß er am folgenden Tage Tennis spielen müsse. Das sei fest abgemacht.
    Dann kam der kleine weiße Dampfer, und wir
    verabschiedeten uns voneinander. Timm und Krescho
    wanderten zu ihrem Bungalow zurück, während ich
    nachdenklich zurückfuhr nach Venedig.
    Da viele Leute auf dem Dampfer waren, stellte ich mich nach vorn an den Bug. Hier lehnte ich mich gerade auf das Holz der Reling, als jemand hinter mir flüsternd sagte:
    »Aufschreiben sollten Sie diese Geschichte besser nicht. Wir könnten Sie auf Schadenersatz verklagen.«
    Ich drehte mich um und sah gerade noch einen rotweiß gestreiften Pulli zwischen Fahrgästen verschwinden. Da murmelte ich: »Ob ich das aufschreibe, Baron, ist meine Sache, nicht Ihre.« Dann lehnte ich mich wieder auf die Reling. Hier blieb ich stehen, während es langsam dunkler wurde, bis vor uns, ganz in strahlendes Licht getaucht, der ausgedehnte Markusplatz erschien, des Markusdoms
    sattgoldene große Kuppeln oben, das Filigran der Arkaden des Dogenpalastes unten, die geflügelten Löwen auf den Säulen und hoch und spitz bedacht der rote Glockenturm.
    An derselben
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