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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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vierzehntäglichen Scheck warten, und zwei oder drei alte Kämpfer aus meinen guten Zeiten, die jetzt das Bürgertum nicht mehr eliminieren, sondern mit ihm Geschäfte machen wollen.«
    »Höre ich da womöglich moralische Untertöne?«
    »Das einzig Mögliche ist das Realistische. Und da hast du den, den wir suchen.«
    Durch die Tür zum Hinterzimmer kam in dem Moment ein wie ein reicher Bauer aussehender alter Mann: Stetson, Cowboystiefel, Stoffhosen und kariertes Hemd. Der Alte setzte sich an die Bar und wurde sofort von der Chefkellnerin bedient.
    »Man kümmert sich sehr um ihn.«
    »Er gibt gutes Trinkgeld. Komm.«
    Atanasio stellte Morgado und Jesús Oropeza, den Besitzer der Verpackungsfabrik, einander vor. Sie begrüßten sich zunächst höflich, aber schon nach dem zweiten Glas ging man locker und unbefangen miteinander um.
    »Was soll ich euch erzählen? Die Sache mit Heriberto ist eine Ungeheuerlichkeit. Wenn ihr meine Meinung dazu hören wollt: Es war ein Hinterhalt, eine miese Falle. Deinem verblichenen compadre gefiel es, sich um Kopf und Kragen zu spielen. Du musst entschuldigen, aber so war er. Er setzte Sachen, die ihm gar nicht gehörten. Ständig hatte er irgendwelche Streitigkeiten mit den Spielhöllenbesitzern. Ich habe ihn aus vielen Auseinandersetzungen herausgepaukt, aber bei der letzten hat wohl nicht mal der liebe Gott dieses Wunder vollbringen können.«
    »Das müssen Sie erklären, Don Jesús.«
    »Seht mal, ich war sein größter Zechkumpan. An den Wochenenden schnappten wir uns zwei Flittchen aus der San-Diego-Bar und fuhren nach Tijuana, San Felipe oder Ensenada. Wir kannten fast alle existierenden und sogar zukünftige Spielhöllen. Die legalen und die illegalen. Die ärmlichen und die vornehmen. Aber vor ein paar Monaten verletzte ich mir bei der Arbeit den Rücken und musste für einige Wochen das Bett hüten. Jetzt bin ich wieder wohlauf, aber zu dem Zeitpunkt lag ich da und grübelte wie eine wiederkäuende Kuh über mein verdammtes Schicksal nach. Heriberto hat mich natürlich ein- oder zweimal besucht, ist aber wie gewohnt auf Tour gegangen. An einem dieser Wochenenden hat er einen anderen Spieler kennen gelernt, einen Polizisten, glaube ich. Seinen Namen weiß ich nicht, aber Heriberto hat ihn zu seinem Begleiter gemacht, und der hat ihn zu einer geheimen Spielhölle mitgenommen, die wir noch nicht kannten. Das hat Heriberto mir bei seinem letzten Besuch erzählt. Das ist jetzt vielleicht einen Monat her, aber er hat mir nicht verraten, wo die Spielhölle war und was an ihr so geheim war, aber er ließ durchblicken, er würde mich mitnehmen, sobald es mir wieder besser ginge. Das war unser letztes Gespräch.«
    »Wer, glauben Sie, hat ihn getötet? Dieser Polizist, den Sie vorhin erwähnt haben?«
    »Ach, Morgado, ich merke, du bist nicht von hier, auch wenn du so sprichst wie wir. Was den Polizisten angeht, wer weiß das schon? Das musst du selbst herausfinden. Das Eigenartige ist, dass es eine Spielhölle geben soll, die weder Heri noch ich entdeckt haben. Das gefällt mir nicht. Hier geschieht das Verbotene doch vor aller Augen, nicht wahr? Du machst einen Laden auf, entrichtest deinen Obolus an die örtlichen Behörden, und keiner räuspert sich mehr. Alle wissen, was dein Geschäft ist und unter wessen Protektion es läuft. Also gibt es keine Klagen und keine blutigen Abrechnungen. Jeder Spielschuppen hält sich den Rücken frei, und jede untergeordnete Behörde tut das Gleiche mit der nächsthöheren.«
    »Klingt wie ein erfolgreiches Modell von Schattenwirtschaft«, bemerkte Atanasio.
    »Nenn es, wie du willst. Es funktioniert, oder?«
    »Worauf wollen Sie hinaus, Don Jesús?«, hakte Morgado nach.
    »Worauf ich hinaus will? Na, das liegt doch auf der Hand. Dass Heri in den letzten Tagen seines Lebens in dieser Spielhölle war, die keiner, absolut keiner kennt. Es handelt sich nicht bloß um einen illegalen, geheimen Laden, er ist schlichtweg inexistent.«
    »Was soll das heißen, inexistent?«, fragte Atanasio ungewöhnlich barsch. »Kommst du uns jetzt noch mit Erscheinungen und Gespenstern?«
    »Ich will damit sagen, wenn keiner den Laden kennt, heißt das, dass die, die von seiner Existenz wissen, sie bestreiten. Das ist umso merkwürdiger, denn Spielen, und ich spreche da aus eigener Erfahrung, ist zwanghaft. Der Spieler will spielen, nichts als spielen. Und dafür braucht er Mitspieler, so unersättliche Irre wie er. Und so kommt das Spielchen in Gang, das
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