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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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nicht, was er sagen sollte. Die Hitze betäubte ihn. Wenn man ihm wenigstens ein Bier angeboten hätte. Aber in dem Zimmer gab es nicht einmal ein Glas Wasser.
    »Deswegen habe ich Atanasio gebeten, mir zu helfen. Er ist Ihr Freund und die Person meines Vertrauens. Sie wissen, wie schwer es für eine Witwe ist, um so etwas zu bitten. Sich gegen alle anderen zu stellen. Man sagt, ich solle die Toten ruhen lassen und nicht anfangen, im Dreck herumzuwühlen. Aber das entspricht nicht meiner Natur.«
    Morgado sah, wie sich die Töchter des Verstorbenen im anderen Zimmer eine Telenovela ansahen und mit ganz anderen Konflikten und Tragödien beschäftigt waren.
    »Werden Sie es schaffen?«
    Er hatte wieder den Gesprächsfaden verloren. »Was schaffen?«
    »Zu verhindern, dass der Name meines Mannes mit Drogen in Verbindung gebracht wird. Er hatte nie etwas mit Drogen zu tun. Er war nur der Verwalter der Ranch Los Mezquites.« Die Witwe holte Luft und fuhr mit ihrer Rede fort. »Sie haben ihn nicht in diesem Scheißhotel getötet. Wenn er Kokain dabeihatte, dann hat ihm das jemand zugesteckt, um ihn zu belasten. Sie haben ihn wegen etwas anderem umgebracht. Da bin ich mir sicher.«
    »Wollen Sie, dass ich ermittle?«
    »Ja.«
    »Damit Ihrem Mann Gerechtigkeit widerfährt?«
    »Gerechtigkeit? Machen Sie Witze? Ich will Rache!«
    »Das ist nicht mein Ding. Das wissen Sie.«
    Die Witwe nahm sofort wieder Haltung an. »Das stimmt. Finden Sie für mich heraus, was geschehen ist, und das soll mir genügen. Ist das für Sie in Ordnung?«
    »Ja, aber es kostet. Und worum Sie mich bitten, kann teuer werden.«
    Die Witwe verzog verärgert das Gesicht. »Ich dachte, Anarchisten liegt nichts am Geld.«
    »Anarchisten, wenn es überhaupt noch welche gibt, vielleicht nicht. Ermittlungen kosten Geld und an der Grenze umso mehr.«
    »Aber Atanasio sagte mir, Sie …«
    Morgado stand taumelig auf. Er dachte daran, dass die Rückfahrt nach Mexicali mindestens eine halbe Stunde dauern würde. Dreißig unendlich lange Minuten in der sengenden Sonne um zwei Uhr mittags.
    »Warten Sie!« Die Witwe hob die rechte Hand. »Wie viel verlangen Sie?«
    »Dreihundert Dollar Vorschuss und einhundert Dollar täglich. Das geht alles für Kosten drauf. Meine Dienstleistungen werde ich Ihnen nicht berechnen.«
    »Also werden Sie einen Monat lang ermitteln, und ich werde noch ärmer werden.«
    »So ist es.«
    Morgado trat in das Tageslicht. Atanasio wartete zusammengekauert unter einem Sonnendach auf ihn und malte Diagramme in den Sand.
    »Was sind das für Striche?«, fragte Morgado. »Irgendeine Formel für Molotowcocktails?«
    »Ich habe überlegt, ob ich die junta de mejoras am Ortseingang überfallen soll.«
    »Hör mit dem Quatsch auf. Das letzte Mal, als du so was Ähnliches versucht hast, ist dir nichts Besseres eingefallen, als die Post zu überfallen, mitten im Zentrum und ohne schnelle Fluchtwege. Was seid ihr doch für gute Strategen bei der Anarchistischen Liga Ricardo Flores Mágon‹!«
    »Aber es war ein gelungener Coup!«
    »Natürlich war es ein toller Coup! Ihr habt acht Jahre in euren Zellen gesessen und die Millionen Briefmarken gezählt, die ihr erbeutet habt. Die versammelte revolutionäre Philatelie.«
    Atanasio lachte herzlich, ohne den Blick von Morgado abzuwenden. »Du warst lange bei der Witwe. Sie hat dich doch nicht in Naturalien bezahlt?«
    »Bezahlt? Ich habe geglaubt, du hättest ihr gesagt, dass die Ermittlung Geld kostet.«
    »Eine Witwe ist eine Witwe. Die rücken ihr Geld nicht so schnell raus.«
    »Und jetzt?«
    Atanasio säuberte sich die Hände an der Hose und stand schnell auf.
    Morgado spürte, wie ihm jemand auf die Schulter tippte. »Na schön. Hier ist das Geld.«
    Die Witwe übergab ihm fünfhundert Dollar in Hunderterscheinen. »Aber ich will noch in dieser Woche Ergebnisse sehen.«
    Atanasio verabschiedete sich mit einer Umarmung und einem Kuss von der Witwe. Sie sah ihn melancholisch an, dann kehrte sie wortlos in ihr Haus zurück.
    Atanasio wirkte glücklich und aufgekratzt. »Auf, lass uns ein paar Bierchen trinken gehen, compañero. «
    »Darf ich dich daran erinnern, was dein Vater Marx gesagt hat: ›Bier ist Opium für das Volk.‹«
    »Und ich dich daran, was mein Vater, Atanasio der Erste, zu sagen pflegte: ›Das Bier ist das Elixier der Götter.‹ Außerdem ist dieser Marx nicht mein Vater, sondern nur ein entfernter, miesepetriger Onkel.«
    Natürlich landeten sie in der Kneipe Tarros del Tío
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