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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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Gerücht geht im Kreis der Spieler um, und der Spielsalon – es kann eine Kneipe sein, ein Geschäft, eine Werkstatt oder ein Hotel – füllt sich mit Gleichgesinnten. Es ist wie ein Jahrmarkt oder ein Zirkus. Aber in diesem Fall ist es nicht so. Es herrscht nur Schweigen. Und seit Heris Tod ist das Schweigen noch lauter, noch feindseliger. Ich traue mich schon gar nicht mehr, nach diesem Spielsalon zu fragen. Ich will wie die anderen an seine Nichtexistenz glauben. Es ist besser für die Gesundheit. Und dieser Rat gilt auch für euch.«
    Morgado bestellte noch eine Runde Bier, und das Gespräch ging weiter. Seit er nach Mexicali zurückgekehrt war, tauchte immer wieder dasselbe Bild vor seinem geistigen Auge auf: der mit Kreide gezeichnete Umriss des Leichnams von Manuel Buendía. Die Polizisten, die den Ort bewachten. Der ganze Sicherheitsapparat, der das alleinige Ziel hatte, die Ermittlungen in dem Mordfall zu behindern. Lockvögel und Fallen. Hier und heute schien er mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Das ist eine andere Art von Falle, sagte er sich. Aber er musste auf der Hut sein, denn das Inexistente konnte jeden Augenblick brutal in die Wirklichkeit einbrechen. Und zu guter Letzt musste er das eigene Leben, die Herzensangelegenheiten, in Ordnung bringen.
    Morgado schlug sein Notizbuch auf und suchte die Nummer, die ihn interessierte. Dann erhob er sich und suchte nach einem Telefon.
    »Wohin wollen Sie anrufen?«, fragte ihn der Barkeeper, ein hässlicher, vierschrötiger Kerl.
    »Ensenada.«
    »Geht nicht, das ist ein Ferngespräch.«
    »Es ist ein R-Gespräch.«
    »Trotzdem.«
    »Hier. Der Rest ist für dich, und jetzt gib mir das Telefon. Es dauert nicht länger als eine Minute.«
    Der Barkeeper reichte ihm das Telefon und blieb neben ihm stehen, bis er sich vergewissert hatte, dass es sich tatsächlich um ein R-Gespräch handelte.
    Schließlich hörte Morgado Alicias Stimme am anderen Ende. Eine unverwechselbare Stimme. »Was zum Teufel willst du, Morgado?«
    »Ich rufe aus Mexicali an. Ich bin im Hotel Del Norte. Zimmer 578. Ich muss dich sehen, verstehst du! Ich brauche dich.«
    Vom anderen Ende drang Gelächter an sein Ohr. »Ich habe mich aus deinem Leben zurückgezogen. Ohne jede emotionale Vergütung.«
    »Ich weiß. Aber ich versuche es halt immer wieder. Sag mir wenigstens, dass du mich nie vergisst.«
    »Schön, mein sentimentaler Freund. Ich werde dir ein Plätzchen in meinem Herzen bewahren.«
    »Freut mich.«
    »Das Mindeste, was ich von dir erwarte.«
    »Wenn du dich an August erinnerst, weißt du, was ich brauche.«
    »Auf Nimmerwiedersehen.«
    Und Alicia legte auf, bevor er antworten konnte.
    »Wie romantisch«, sagte der Barkeeper.
    »Du lauschst wohl gerne fremden Gesprächen?«
    Der Barkeeper lächelte: »Natürlich lausche ich gerne. Oder glaubst du, ich werde hier dafür bezahlt, Cocktails zu mixen?«
    Morgado kehrte an den Tisch zurück. »Wer ist der Barkeeper? Kennt ihr ihn?«
    Don Jesús und Atanasio unterbrachen ihr Gespräch und schauten zur Theke.
    »Der ist neu«, sagte Don Jesús. »Er ist ungefähr seit drei Wochen da. Aber das ist nicht verwunderlich, drei der Serviererinnen sind schon überfallen worden. Er heißt Adolfo.«
    »Er trägt einen Militärhaarschnitt«, fügte Atanasio hinzu. »Er erinnert mich an das Militärlager Nummer eins. Schlechte Erinnerungen, klar.«
    »Er interessiert sich ein wenig zu sehr für das, was ich tue.«
    »Du kennst doch die Kneipenvögel. Schnüffler ersten Ranges.«
    »Vergesst es. Verfolgungswahn ist Teil meines Berufs.«
    »Es sei dir verziehen, Morgado.«
    »Nun, Don Jesús, was raten Sie uns? Wie können wir eine Spielhölle finden, die nicht existiert?«
    »Darüber sprachen wir gerade«, mischte sich Atanasio ein. »Also, wenn wir davon ausgehen, dass es diesen Club gibt, dann wechselt er entweder den Ort, oder es sind nur ganz bestimmte Leute zugelassen: Es kommen nur die hinein, die eine Mutprobe bestanden haben oder die ein Geheimnis haben, das sie zwingt, den Mund zu halten. Was für ein Geheimnis? Das ist die Frage.«
    »Vielleicht irgendein Verbrechen?«
    »Wie ist das zu verstehen?«, fragte Don Jesús.
    »Ein Pakt. Weil sie zur selben Vereinigung gehören, zur selben Gruppe. Ein Pakt unter Arbeitskollegen. Unter Polizisten, zum Beispiel.«
    »Ein Pakt unter Polizisten? Zu welchem Zweck?«
    »Das muss ich herausfinden.«
    »Müssen wir herausfinden«, sagte Atanasio solidarisch.
    »Was würden Sie an unserer Stelle tun, Don
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