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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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Guerilla und vor den paramilitärischen Gruppen. Und dazu noch ein aufgebrachter Freund, der bereit ist, auf deinem Grab zu tanzen. Also nichts wie weg. Ich ging nach Tijuana. Dort habe ich Gruppen von Bauern in den Bergen unterstützt. Und dort hörte ich zum ersten Mal von der Perestroika und der bürgerlichen Gesellschaft und der Demokratie, während ich Staub, Regen und Flüche schluckte, aber alles so weiterging wie vorher. Dieselbe Suppe, derselbe Betrug. Und dann erreichte mich vor drei Wochen die Nachricht, Don Heriberto González sei in einem Hotel getötet worden. Laut Informationen der Polizei handelte es sich um eine Abrechnung unter Drogenhändlern. In dem Zimmer hatte man mehr als ein Kilo Kokain gefunden. Und man hatte die Akte geschlossen. Alles roch faul, getürkt. Ich habe einen Riecher dafür. Sag mir, Morgado, wen könnte ein solcher Toter interessieren? Niemanden. Außer mich, sein Freund und Taufpate seiner Tochter, Atanasio Hernández. Aber was konnte ich tun, bei meiner Vorgeschichte? Ich kann nicht dort herumschnüffeln, wo viele mir an den Kragen wollen. Deswegen habe ich mich an dich gewandt. Du hast einen tadellosen Lebenslauf: Mitglied von Amnesty International und Ermittler auf Honorarbasis für die Menschenrechtskommission von Mexiko. Gute Empfehlungsschreiben.«
    »Reine Fassade. Blendwerk.«
    »Keine Diskussion. Aber vor allem, Morgado, bist du von hier, aus Mexicali. Man kennt dich hier. Sie wissen, wer du bist. Sie respektieren dich, und jetzt wird das Gerücht kursieren, man habe dich angeheuert, um über Heribertos Tod Nachforschungen anzustellen. Du bist, genau wie ich, ab sofort ein bewegliches Ziel. Aber bei dir werden sie es sich zweimal überlegen, bevor sie abdrücken.«
    »Wer weiß?«
    »Ich weiß es. Weil du mein Freund bist. Weil du dich gern mit den Großen anlegst. Weil du ein Mann mit Überzeugungen bist. Und das ist es, was wir jetzt brauchen. Jemand, der die Wahrheit über Heribertos Tod laut aussprechen kann, trotz all der Lügen, trotz all der Interessen, die da im Spiel sind.«
    »Ich bin kein Superheld, also schalt einen Gang runter.«
    »Schau, Heri war kein Drogendealer. Ein Spieler, ja. Aber was solls. Vor allem war er mein Freund. Und ich will genau wie Teresa und ihre Töchter wissen, was passiert ist, wer der Mörder ist. Und – das dürfte am schwersten herauszufinden sein – wer den Befehl gegeben hat, ihn zu töten.«
    »Aber du hast meine Frage nicht beantwortet.«
    Atanasio atmete tief ein, bevor er antwortete. »Entschuldige. Heriberto arbeitete als Verwalter der Ranch Los Mezquites, die seinem Schwiegervater gehört. Er verdiente gut, aber er verlor alles beim Spiel. Dann klaute er einen Pick-up von der Ranch und verkaufte ihn, um weiterspielen zu können. Solche Sachen machte er. Sein Schwiegervater war sehr wütend, aber er unterstützte ihn weiter. Die Enkelinnen, die er ihm geschenkt hatte, trugen viel dazu bei, dass es nicht zu größeren Zusammenstößen kam. Teresita hat die Schicksalsschläge tapfer ertragen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es je Streit zwischen ihnen gegeben hätte. Und die Töchter vergötterten Heri, trotz seiner Abwesenheit und der Diebstähle. Wo er sich gewöhnlich aufgehalten hat, weiß ich nicht. Aber ich weiß, wer uns diese Information geben kann. Fehlt noch was?«
    »Nun, das Motiv, die Waffe und der Mörder.«
    »Sonst nichts?«
    Morgado lächelte wie in den alten Zeiten, als er ein blutjunger Anwalt war, der direkt von der Uni kam und politische Gefangene verteidigte.
    »Stoßen wir auf die Lösung dieser verworrenen Geschichte an«, schlug Atanasio vor.
    »Stoßen wir auf die verlorenen Fälle an, compañero. Sie sind die größte Errungenschaft Anfang dieses Jahrhunderts.«
    Zwei Bierflaschen klirrten unisono.
     
6
     
    Obwohl es Dienstagnachmittag war, war die Santa-Clara-Bar voll mit großen und kleinen Politikern und Anwärtern auf populäre und weniger populäre Ämter, die sich alle kannten und in einem munteren Reigen ohne Anfang und Ende grüßten, umarmten, auf die Schulter klopften, sich gegenseitig taxierten und linkten.
    Atanasio trat in den Raum und erklärte: »An dem Tisch direkt neben dem Spielautomaten, von wo man uns so begeistert grüßt, da treffen sich die fast – die Betonung liegt auf fast – vereinten Kräfte der Linken: an Chancengleichheit glaubende Lehrer, Führer von Volkssiedlungen, Studenten, die jetzt nicht mehr auf den Sieg des Proletariats, sondern auf ihren
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