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Tiger Unter Der Stadt

Titel: Tiger Unter Der Stadt
Autoren: Kilian Leypold
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jetzt,
     lasst uns verschwinden.«
    »Falsch!« rief Lippe. »Schwarz sind nur die Streifen, der Rest ist mal rötlichbraun, mal orange, manchmal sogar gelb. Und
     wir können noch nicht verschwinden. Zuerst müssen wir unser Kätzchen suchen.«
    »Vielleicht habt ihr es schon gefunden«, brummte Igor. »Da kommt wer.«
    Auf der Teerstraße zwischen den Klärbecken waren zwei Gestalten erschienen. Die Sonne stand in ihrem Rücken, deshalb konnte
     Jonas nur die schwarzen Silhouetten erkennen, schmal und dünn die eine, kleiner und rundlich die andere. Keine von beiden
     war ein Tiger, soviel war zu erkennen.
    »Das könnten Funakis’ Nymphen sein«, flüsterte Lippe. »Just dem Klärbecken entstiegen.«
    »Blödsinn!«, zischte Jonas zurück. »Das sind …«
    »… die Kaugummihühnchen!«, ergänzte Lippe, der die beiden jetzt auch erkannt hatte.
    »Was wollen die denn hier?«, fragte Vera mit finsterem Blick.
    Nur Igor lachte. »Hallo, ihr beiden Täubchen!«
    »Ich heiße Bschu«, sagte Bschu und schaute noch finsterer als Vera.
    |276| »Ich heiße Büm«, sagte Büm. Jonas sah, dass sie sich schon wieder zusammenreißen musste, um nicht zu kichern. Und schon musste
     er selbst ein Grinsen unterdrücken.
    »Wir wollen die Bezahlung holen«, sagte Bschu und stellte sich direkt vor Lippe. »Den Skalp von einer Ratte …«
    »… und ein Schnurrhaar vom Tiger.« Büm war neben Jonas getreten. »Außerdem sind wir neugierig, was ihr so lange hier drin
     treibt«, flüsterte sie Jonas zu.
    Vera warf einen Blick zu dem Sofa in ihrem Rücken. Die Stiefel ragten noch genauso nach oben wie seit Stunden. Mit einem Seufzer
     ließ sie sich auf einen Stuhl fallen. Igor setzte sich neben sie.
    Lippe zog die Stirn kraus und wickelte sich eine seiner Locken um den Finger. »Ja, weißt du, das war so: Wir hatten die Ratte
     eigentlich schon und wollten gerade den Skalp nehmen, da haben wir einen kleinen Moment nicht aufgepasst und schon hat unser
     Tiger die Ratte gepackt und verschlungen. Er ist nämlich ganz versessen auf Ratten. Und dann gab es mehrere Zwischenfälle
     und dann war keine Zeit mehr, eine zweite Ratte zu fangen.«
    »Ach, der böse Tiger«, grinste Bschu. »Riesendumme Sache.«
    »Aber bestimmt hast du dann das Schnurrhaar vom Tiger für mich«, sagte jetzt Büm mit ihrer tiefen Stimme zu Jonas.
    Jonas wurde rot. »Also weißt du …«, stammelte er endlich, »mit dem Tiger ist das nicht so einfach. Er ist |277| sehr eigenwillig und groß und auch reizbar … Jedenfalls haben wir im Moment keine Ahnung, wo er steckt. Obwohl ich nicht glaube,
     dass er noch hier im Klärwerk ist …«
    Die beiden Mädchen warfen sich einen Blick zu und fingen plötzlich an zu lachen.
    »Sollen wir sagen?«, kicherte Bschu.
    Büm nickte nur prustend.
    »Vor einer Stunde haben wir einen kleinen, bisschen chinesischen Mann gesehen mit einem sehr großen Hund …«
    »… mit einem Schleier über dem Hund, auch über dem Kopf«, fiel ihr Büm ins Wort.
    »So groß, dass von dem ganzen Hund nichts zu sehen war. Nur einmal hat es geflattert und da haben wir einen Fuß gesehen, groß
     wie ein Pfannkuchen …«
    »… und mit gelbem Fell«, flüsterte Büm.
    »Solche Füße haben Hunde nicht«, sagte Bschu auf einmal ernst. »Aber Tiger.«
    »Könnte sein«, sagte Lippe. »Wo sind der Mann und der Hund hin?«
    »In die U-Bahn runter«, sagte Bschu.
    Jonas umklammerte das geschnitzte N, das er noch immer in der Hand hielt. Er hatte es gewusst. Tante Tiger war mit Ulla verschwunden.
    »Ihr schuldet uns also den Rattenskalp und das Tigerhaar«, sagte Bschu.
    »Wir können das in Eis umrechnen«, sagte Büm und lächelte Jonas an. »Das macht umgefähr zwei große Becher mit fett Sahne und
     Schokolade.«
    |278| »Na, ausgeturtelt?« Das war Vera, die von ihrem Stuhl aus dazwischenrief. »Können wir jetzt los?«
    Jonas war sich nicht sicher, aber er glaubte, ein feines Lächeln um ihren Mund zu sehen, und er fühlte sich leicht und frei,
     als wäre seinem Herzen ein schwerer Mantel von den Schultern gerutscht.
    »Bschu und Büm«, sagte in diesem Moment Igor. »Das sind doch keine Mädchennamen.«
    »In Wirklichkeit seid ihr Nymphen – stimmt’s?!«, fragte Lippe und riss die Augen auf. Das tat er, wenn er jemanden überrumpeln
     wollte.
    »Wenn das was Schmutziges ist, kriegst du was vor die Eier«, fauchte Bschu und wandte sich zum Gehen.
    »Ist nichts Schmutziges, warte, ich erklär’s dir …«, rief Lippe und lief ihr
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