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Tiffany

Tiffany

Titel: Tiffany
Autoren: Felix Thijssen
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startete das Auto und fuhr nach Hause.
    Ich war mit meinen Gedanken weder bei Krankenhäusern noch bei aus dem Ruder gelaufenen Einbrüchen. Ich dachte an Marga. Wir waren wie Erwachsene auseinander gegangen, obwohl das Wort erwachsen eigentlich nicht so recht zu Marga passte. Wir hatten keinen Grund gehabt, aufeinander wütend zu sein oder uns zu streiten. Es hatte noch nicht einmal einen Anlass gegeben, zynisch zu reagieren, obwohl ich das ganz von selbst wurde, wenn ich an Hendrik den Antikmaler dachte oder an Marga und Hendrik auf dem Schiff nach Rosslare. Hendrik würde es wahrscheinlich geschickter anstellen als ich. Vielleicht würde er es sogar fertig bringen, dass die beiden in zehn Jahren noch die Teetasse sahen anstatt nur die Risse und Kittspuren zwischen den Scherben.
    Ich fand einen freien Parkplatz am Anfang der Straße und spazierte im Dunkeln durch die nasskalte Aprilnacht. Ich wohnte noch immer in derselben ruhigen Allee mit den gediegenen Herrenhäusern, den kleinen Vorgärten und den von schmiedeeisernen Törchen unterbrochenen, niedrigen Ligusterhecken. Zahlreiche Erdgeschosswohnungen waren zu Privatpraxen und Büros umgebaut worden. Im Parterre meines Wohnhauses betrieb mein Hauswirt ein kleines, aber feines Maklerbüro, das sicherlich nicht Pleite gehen würde, wenn ich meine Miete zu spät bezahlte. Das hatte ich meistens getan, bis ich unlängst von einer netten jungen Dame, der ich zu ihrem rechtmäßigen Millionenerbe verholfen hatte, übertrieben fürstlich entlohnt worden war. Ich hatte die Angelegenheit auf eigene Faust geregelt, ohne das Ermittlungsbüro des ehemaligen Staatsanwaltes Meulendijk mit einzubeziehen. Vielleicht war Meulendijk noch immer wütend deswegen, denn seitdem hatte er mir keine Aufträge mehr zugeschanzt. Seine Begeisterung für Mitarbeiter, die auf eigene Faust Ermittlungen ausweiteten, Mandanten brüskierten und Instruktionen in den Wind schlugen, war nur von begrenzter Dauer. Möglicherweise war er auch frustriert, weil er wusste, was ich an dem Fall verdient hatte. Es hatte sogar für eine Anzahlung auf ein Haus außerhalb der Stadt gereicht, was meinen Traum, aus Amsterdam herauszukommen, noch gehörig beflügelt hatte.
    Ich überquerte die Straße und ging hinüber zum Maklerhaus. Als ich den Bürgersteig erreichte, hörte ich zwischen den Abfallcontainern und den mit Maklerbüromüll gefüllten Plastiktüten ein Geräusch. Eine Katze, dachte ich.
    Ich lief schon über den Plattenweg zum Seiteneingang, als ich ein Seufzen hörte, gefolgt von einem verängstigten Stöhnen, als hätte jemand einen Albtraum.
    Keine Katze.
    Ich ging zurück. Es war eine Frau. Sie lag mit dem Gesicht nach unten zwischen den Müllsäcken. Magere, gespreizte Beine schimmerten blassblau im Licht der Straßenlaternen. Ihr kurzer Lederrock war ihr bis auf die Hüfte hochgerutscht. Einer der Säcke lag halb über ihr. Ich hockte mich neben sie und schob den Sack beiseite. Ich berührte eine knochige Schulter. Sie stank nach Erbrochenem und billigem Parfüm. Ich strich ihr Haar zurück, um ihr Gesicht erkennen zu können, und spürte eine klebrige Feuchtigkeit. Blut. Ich legte ihr meine blutverschmierten Fingerspitzen an den Hals. Sie lebte.
    Natürlich lebte sie, wenn sie in der Lage war, zu stöhnen und sich zu bewegen. Ich brachte es nicht fertig, sie einfach so da liegen zu lassen, während ich in aller Ruhe die Polizei rief.
    »Mein Gott«, murmelte ich.
    Ich schob eine Hand unter ihre Schulter. Sie bewegte den Kopf und röchelte. Ihr Körper fühlte sich schlapp an; von ihr hatte ich keine Hilfe zu erwarten. Ich schob einen der Müllcontainer aus dem Weg, nahm meinen Schlüsselbund in die Hand, rollte sie über meinen Arm auf mich zu und hob sie ein wenig an, damit ich mit der anderen Hand unter ihre Oberschenkel fassen konnte. Ich ächzte, als ich mich mit ihr in meinen Armen aufrichtete. Sie war zwar nicht schwerer als ein Sack Zement, aber ich war erstens kein Maurer und zweitens keine zwanzig mehr.
    Einer ihrer Arme fiel herunter, und ihre baumelnde Handtasche schlug mir gegen die Beine, als ich sie zum Seiteneingang trug. Ich schloss die Tür auf, trat sie hinter mir zu und schleppte sie die Treppe hinauf. Sie hing schlaff in meinen Armen, während ich mit einigen Schwierigkeiten den Schlüssel ins Schloss schob und die Tür öffnete. Es gelang mir nicht, den Lichtschalter mit meiner Schulter zu betätigen, und daher stolperte ich durch die Dunkelheit, bis meine Knie das Sofa
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