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Tiffany

Tiffany

Titel: Tiffany
Autoren: Felix Thijssen
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schaute Joris ausdruckslos an und blieb entspannt sitzen, die Beine übereinander geschlagen, die Hände auf dem Knie verschränkt. Er trug einen Anzug in einem unbestimmten Braunton und hatte dunkle Haare und braune Augen. Joris meinte, sein Gesicht schon einmal irgendwo gesehen zu haben.
    Sein Vater setzte sich an den Schreibtisch. Joris schaute von einem zum anderen und fragte: »Wer ist dieser Meneer? Und was ist eigentlich los?«
    »Wo kommst du her?«, fragte sein Vater.
    Joris verzog unangenehm berührt das Gesicht. »Aber Papa, ich bin doch keine zwölf mehr.«
    »Das wird sich noch zeigen. Wo ist mein Koffer?«
    Die Grimasse verschwand von Joris’ Gesicht. »Welcher Koffer?«
    »Du weißt verdammt gut, von welchem Koffer ich rede! Mein Aktenkoffer!«
    Joris erschrak, als er bemerkte, dass der Unbekannte sich hinter ihn gestellt hatte, ohne dass er ihn hatte aufstehen sehen.
    Ganz deutlich sah er hingegen, dass sein Vater sich beherrschen musste, um nicht die Geduld zu verlieren. »Ich vermisse diesen Koffer seit gestern Morgen. Ich habe ihn überall gesucht. Was hast du damit gemacht?«
    »Nichts.« Joris spürte, wie er aggressiv wurde, wie meistens, wenn man ihn in eine Ecke drängte. »Wo liegt denn das Problem?«
    Der Mann hinter ihm besaß eine ruhige, höfliche Stimme. »Vielleicht sollten Sie das lieber mir überlassen, Meneer.«
    Sein Vater öffnete eine Schublade und holte drei Ringbücher sowie einige andere Dinge heraus, die er kommentarlos auf den Schreibtisch fallen ließ.
    »Das hier stammt aus meinem Koffer, und es lag in deinem Zimmer.«
    »Ich dachte, mein Zimmer wäre mein Privatbereich«, sagte Joris gereizt. »Schließlich ist das eine der Hausregeln, die du uns selbst beigebracht hast.«
    Sein Vater biss sich auf die Lippe. »Joris, zum letzten Mal: Wo ist der Koffer?«
    »Ich habe ihn mir nur mal ausgeliehen, okay?«, rief Joris, in die Enge getrieben. »Na und? Du hast deine Berichte, deine Lesebrille, deine Taschenbibel, was liegt dir also an dem Koffer? Du hast doch noch einen.«
    Sein Vater lief rot an. Er wollte etwas erwidern und ballte die Fäuste auf dem Schreibtisch. Seine Hände zitterten. Er nickte dem Mann zu.
    Joris stieß einen Schmerzensschrei aus, als dieser ihn an der Schulter packte. Er versuchte, sich wegzuducken, doch die Hand des Mannes grub sich wie ein eiserner Abschlepphaken in seine Schlüsselbeinknochen und hielt ihn aufrecht. »Wir beide gehen jetzt mal kurz nach draußen.«
    »Lassen Sie mich los, verdammt noch mal!« Der Abschlepphaken löste sich, und Joris fiel zurück in den Sessel. Wütend schaute er seinen Vater an. »Was soll das?«
     »Das hast du dir selbst zuzuschreiben.« Wieder nickte sein Vater dem Mann zu. »Mach weiter.«
    »Komm mit«, wiederholte der Mann.
    »Hören Sie mal, ich bin doch kein …« Joris schrie auf, als der Mann ihm seine Finger zu beiden Seiten in den Nacken drückte. Ein brennender Schmerz schoss zwischen seinen Rückenwirbeln und seinem Gehirn hin und her.
    »Steh auf.«
    Joris gehorchte. Er blinzelte seine Tränen weg. Die Schmerzen waren schlimmer als eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Er holte tief Luft. »Verdammt noch mal Papa, was soll denn das bloß? Du kriegst deinen Scheißkoffer doch wieder! Ich habe ihn mir nur ausgeliehen, das ist alles.«
    »Und wo ist er?«
    »An einem sicheren Ort, in einem Gepäckschließfach …«
    »Hol ihn«, befahl sein Vater.
    »Mache ich.« Joris rieb sich den Nacken. »Gleich als Erstes morgen Früh.«
    »Nein, jetzt sofort«, sagte der Mann hinter ihm. »Komm mit.«
    »Ich kann das schon alleine!«
    Sein Vater schwang seinen Drehstuhl herum. Im Bruchteil einer Sekunde erkannte Joris, was sich da im Gesicht seines Vaters widerspiegelte, etwas, das so ungewöhnlich war und so wenig zu ihm passte, dass er einfach nicht früher darauf gekommen war.
    Sein Vater hatte Angst.
    Der Mann wartete, bis Joris in dem dunkelblauen Renault Platz genommen hatte, bevor er selbst einstieg. Er schlug die Tür zu, und sie saßen im diffusen Licht der Außenbeleuchtung.
    »Wer sind Sie?«, fragte Joris.
    »Theo.« Der Mann hielt die Hand auf. »Den Schlüssel.«
    »Schlüssel?«
    »Von dem Schließfach.«
    Joris biss sich auf die Lippen. »Hören Sie mal«, begann er. »Ich habe den Koffer benutzt, stimmt schon, es ist alles okay damit, aber ich, äh … ich gehe ihn lieber selber holen, das ist eine private Geschichte, es hat nichts damit zu tun … Was drin ist, gehört noch nicht mal mir
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