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Tiffany

Tiffany

Titel: Tiffany
Autoren: Felix Thijssen
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dem Hinterzimmer herbeischleppen. Sie sahen aus wie Presbyter bei einem Begräbnis. Der eine stellte sich mit Lokhout vor, vom Justizministerium. Der andere mochte auch von irgendeinem Ministerium sein, oder vielleicht von einer sehr geheimen Behörde, denn er murmelte einen unverständlichen Namen und hüllte sich anschließend in ein unheilvolles Schweigen.
    Meulendijk trug einen seiner grauen Anzüge, diesmal mit Nadelstreifen, und sein noch immer unerklärlich schwarzes Haar war wie immer in der Mitte schnurgerade gescheitelt. Mit seiner üblichen Missbilligung blickte er auf mein Inventar.
    »Mein Büro ist für größere Konferenzen nicht besonders geeignet«, musste ich zugeben. »Aber ich werde es ja auch bald aufgeben.«
    »Ach ja?«
    »Ja, ich denke daran, umzuziehen. Aufs Land.«
    Meulendijk nickte. Ich konnte nicht feststellen, ob er meinen Entschluss bedauerte oder ob er fand, ich könne gar nicht weit genug wegziehen. Er machte einen ziemlich verstimmten Eindruck.
    »Wer ist denn dieser Meneer?«, fragte Lokhout.
    »Fred Brendel.« Fred erhob sich von meinem Bürostuhl. »Ich bin Journalist.«
    Die beiden Beamten machten erstaunte Gesichter, als hätten sie noch nie einen Journalisten gesehen. Das war vielleicht tatsächlich der Fall.
    Meulendijk sagte: »Ich dachte, es sei nicht vorgesehen …«
    Ich hatte mich daran gewöhnt, dass er seine Sätze nicht zu Ende zu führen pflegte, obwohl ich mich manchmal fragte, wie er damals als Staatsanwalt vor Gericht damit durchgekommen war. »Ich wusste ja auch nicht, dass du in Begleitung erscheinen würdest, Bernard«, sagte ich. »Ich dachte, wir wollten ein vertrauliches Gespräch führen, bevor man mir alle möglichen Beamten auf den Hals hetzt.«
    Meulendijk blickte sich um, als suche er seinen Regenmantel, aber der lag zusammen mit anderen, ähnlich aussehenden Regenmänteln auf meinem Sofa hinter den geschlossenen Schiebetüren. Er hasste es, in Gesellschaft anderer von mir geduzt zu werden.
    »Wir sind hier, weil Sie sich geweigert haben, im Ministerium zu erscheinen«, sagte Lokhout streng. »Wir haben nicht viel Zeit. Setzen wir uns.«
    Alle blieben stehen. Meulendijk sah sich missmutig um. Ich deutete auf meinen lederbezogenen Besuchersessel, der zwar ein Wrack war, aber doch die komfortabelste unter meinen wackligen Sitzgelegenheiten. Ich drängte mich rasch an Brendel vorbei, bevor der mir wieder meinen eigenen Bürostuhl wegschnappen konnte.
    »Das Ministerium hat sich überraschend an mich gewandt, weil du …«, begann Meulendijk versöhnlich. »Da du unauffindbar warst, dachte man … Schließlich arbeitest du manchmal für mich. Allerdings warst du bisher nicht an öffentlichen Exekutionen beteiligt.«
    Der Totengedenktag und auch die Feierlichkeiten anlässlich der Erinnerung an die Befreiung von der deutschen Besatzung waren in den Medien völlig untergegangen, überschattet von der »Exekution des vierten Mai«, wie das Drama schon bald darauf genannt wurde. Ich konnte mir vorstellen, dass Bernard die Vorstellung Albträume bereitete, sein makelloses Büro könne in die ganze Affäre mit hineingezogen werden.
    Ich schaute Lokhout an. »Wie sind Sie auf mich gekommen?«
    »Durch die Aussagen des mutmaßlichen Mörders.«
    Nur ein Mitarbeiter der Justizbehörden konnte es fertig bringen, jemanden konsequent als »mutmaßlichen Mörder« zu bezeichnen, der vor den Augen der gesamten Nation zwei Menschen mit einer Waffe niedergestreckt hatte.
    »Meneer van Nunen behauptet, Sie wüssten über alles Bescheid«, fuhr Lokhout fort. »Wussten Sie vielleicht auch, dass das passieren würde?«
    Ich spürte, wie Brendel mich anschaute, und fragte: »Woher hätte ich das denn wissen sollen?«
    Na ja, ganz einfach, dachte ich insgeheim. Ich hätte alle Vorzeichen nur folgerichtig deuten müssen. Doch es hatte erst dann alles einen Sinn ergeben, als es bereits zu spät gewesen war. Das Telefongespräch zwischen Theo und dem General: Wir sehen uns ja dann auf dem Dam. Das eigenartige Lächeln auf dem Gesicht van Nunens, als er das Band abhörte, und seine verbitterte Prophezeiung, dass die Mörder bereits tot und begraben sein würden, bevor die Justizbehörden etwas unternähmen. Der überhöhte Scheck, den er mir geschickt hatte, als habe er gewusst, dass er später keine Gelegenheit mehr dazu haben würde und als spiele Geld sowieso keine Rolle mehr. Mein Mann ist bei Freunden in Amsterdam, Veteranen aus dem Korea-Krieg. »Weshalb ist Meneer Brendel
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