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Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Titel: Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)
Autoren: Reinhard Pelte
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von der Algarve holte ihn zurück auf den Teppich. Seine Frau Svenja stand in der Küche und schnipselte an irgendwelchem Gemüse herum, das sie zu einem Salat verarbeiten wollte. Sie zogen es vor, abends leicht zu essen. Das trug zu einer ungestörten Nachtruhe bei, wie sie aus vielen Jahren gegenteiliger Erfahrung gelernt hatten.
    Die Küche war gegen den Wohnbereich nur durch einen Esstresen abgeteilt.
    »Ich komme!«, rief sie. »Kann man was von Carvoeiro sehen?«
    »Nee, aber irgendein Dorf bei Lagos, Praia da Luz. Es gibt einen Riesenaufstand um ein entführtes Kind. Englische Urlauber.«
     
    *
     
    Morgen würden sie zu einem längeren Urlaub an die Algarve reisen. Jung hatte die Adresse eines deutschen Dauerresidenten in Carvoeiro bekommen. Über ihn war er preiswert an ein Ferienhaus in dessen Nachbarschaft gekommen. Der Deutsch-Portugiese hatte ihm am Telefon vorgeschwärmt, wie schön es gelegen sei, sehr geräumig und gepflegt und mit einem fantastischen Blick auf den Atlantik. Außerdem sei die Jahreszeit die schönste an der Algarve, noch nicht zu heiß, die Natur in voller Farbenpracht und ohne Touristenrummel. Und nicht zu vergessen, es sei im Frühling auch konkurrenzlos günstig.
    Jung hatte gern eingewilligt. Er war mehr oder weniger schon vorher entschlossen gewesen. Er hatte Urlaub nötig. Die Arbeit an seinem letzten Fall hatte ihn mitgenommen und schwer belastet. Er hätte gar nicht überredet werden müssen. Eigentlich hätte das seinem Gesprächspartner während des Telefonats auch klar geworden sein müssen. Jung war irritiert, als jener nicht aufhören wollte, das Haus anzupreisen. Er erschien ihm redselig, so, als hätte er ein Glas Wein zu viel getrunken. Jung registrierte das nur beiläufig und hatte es schnell wieder vergessen. Es gab eben auch Menschen, die anders tickten als er selbst. Er bedauerte das.
     
    *
     
    Svenja kam aus der Küche und setzte sich neben ihn. Sie wischte sich die Hände an der Kochschürze ab.
    »Nun lass mal sehen. Sieht hübsch aus. Ach nee, der blöde Polizist versperrt die Sicht.«
    »Du beleidigst meinen Berufsstand, meine Liebe, ist dir das klar?«, unterbrach sie Jung künstlich entrüstet.
    »Ist doch wahr! Sieh mal, jetzt kommen die Eltern dazu. Mein Gott, ziemlich daneben.«
    »Wieso daneben?«
    »Würdest du dich vor diese Aasgeier stellen, wenn gerade dein Kind entführt worden ist? Ich nicht.«
    Jung schwieg. Svenja konnte warmherzig sein, und Jung war immer wieder überrascht, wie mühelos sie sich in die Gefühle anderer hineinzuversetzen schien – auch in deren verdrängte Varianten.
    In diesem Fall vermochte er ihr nicht gleich zu folgen. Hatten die Eltern nicht gute Gründe, die Angst um ihre Tochter öffentlich zu machen und um Hilfe zu bitten? Auf der anderen Seite konnte – von der Gefühlslage der Eltern einmal abgesehen – der Gang an die Öffentlichkeit bei dem Versuch, das Kind unversehrt zurückzubekommen, äußerst hinderlich sein. Das wusste er aus eigener Erfahrung. Er war Leiter des Dezernats für unaufgeklärte Kapitalverbrechen bei der Polizei-Inspektion Nord in Flensburg. Wahrscheinlich war Svenjas Intuition richtig. Sie hatte schon oft recht behalten.
    »Schade, vorbei. War nur ein kurzer Eindruck, aber schön dort. Ich freue mich auf Portugal. Wenn noch etwas zu sehen ist, rufst du mich?«
    Sie erhob sich und verschwand wieder hinter den Tresen in die Küche.
    »Ich versuch ’s noch mal später auf dem Zweiten, beim Heute-Journal!«, rief Jung ihr hinterher.
    Seine Verblüffung war groß, als der Sprecher einen Brennpunkt im Anschluss an die Tagesschau ankündigte. Die Sondersendung war ins Programm genommen worden, um über die Kindesentführung an der Algarve ausführlicher zu berichten. Das war ungewöhnlich. Für einen öffentlich-rechtlichen Kanal ziemlich einmalig. Das Thema war sehr privat. Gut, die Entführung eines kleinen Mädchens weckte das Mitgefühl des Publikums und konnte sich des besonderen Interesses der breiten Öffentlichkeit sicher sein. Insofern war eine Meldung in den Nachrichten nachvollziehbar. Aber es zum Mittelpunkt einer Sondersendung zu machen, dafür mussten außergewöhnliche Umstände vorliegen. Er rief seine Frau:
    »Svenja, mach Pause. Es geht weiter.«
    »Was? Womit denn?«
    »Die Entführung. Sie machen eine Sondersendung. Vielleicht gibt es noch was Interessantes zu sehen.«
    »Was passiert denn da eigentlich? Das ist doch völlig verrückt.« Sie kam hinter dem Küchentresen hervor,
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