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Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Titel: Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)
Autoren: Reinhard Pelte
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ohne Gürtel hielten. Jung führte in seinem Handgepäck außer wichtigen Sachen wie Ausweis, Portemonnaie, Tickets und Handy auch einige nützliche Kleinigkeiten mit, darunter ein Schweizermesser und einen Zigarrencutter.
    »Das Taschenmesser bleibt am Boden, Sir.«
    Am liebsten hätte Jung dem Kerl seinen Dienstausweis unter die Nase gehalten. Stattdessen blaffte er: »Stecken Sie sich das Messer sonst wohin. Verletzen Sie sich nicht an dem Cutter. Das würde mir leid tun, für den Cutter.«
    Die Stimme reagierte nicht. Der Kerl sortierte das Messer aus und warf es in einen Behälter neben sich. Den Cutter legte er zurück. Er sah seinen Klienten noch einmal kurz an und wandte sich dem Nächsten in der Schlange zu.
    Jung nahm seine Siebensachen und fädelte den Gürtel wütend in die Schlaufen seines Hosenbundes.
    Er suchte die Umgebung nach Svenja ab. Sie war nirgendwo zu entdecken. Er ging in Richtung auf das Gate, wo demnächst das Boarding beginnen sollte. Kurz davor setzte er sich an den Tresen einer Kaffeebar. Hier, an Pier 1, wartete er auf seine Frau.
    Er spürte sie kommen, noch bevor er sie zu Gesicht bekam. Ihr Gang versetzte ihn in äußerste Alarmbereitschaft.
    »Was ist los, Svenja?«, empfing er sie besorgt. »Wo bist du gewesen?«
    »Das möchte ich lieber nicht erzählen.« Sie versprühte die gefährliche Giftigkeit einer schwarzen Mamba. »Bitte bestell mir eine Tasse Kaffee.«
    Jung bestellte zwei Tassen Kaffee. Er beging den Fehler und fragte weiter: »Was ist passiert? Haben sie dir etwas abgenommen?«
    »Abgenommen? Das ist die Höhe. Die haben sich mein Parfüm gekrallt.«
    »Wie das?«
    »Ich hatte mir extra für den Urlaub mein Lieblingsparfüm gegönnt, ein Sonderangebot.«
    »Ja und?« Jung spürte, dass seine Ahnungslosigkeit sie zur Weißglut reizte, und er beschloss, den Mund zu halten, was immer auch noch kommen mochte.
    »Der Flakon ist angeblich zu groß. Auf meinen Protest schlugen sie mir vor, ihn gegen Gebühr zu deponieren. Gegen Gebühr! Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Und dann auch noch wegschließen. Ich brauche mein Parfüm jetzt, im Urlaub, mein Gott!« Sie machte eine Kunstpause und verdrehte die Augen. »Wo leben wir eigentlich? Mein Haarspray haben sie auch gleich kassiert.«
    Jung glaubte sich zu erinnern, dass Flüssigkeiten über 100 Milliliter im Handgepäck nicht mehr mitgeführt werden durften.
    »Ich muss dir wohl nicht sagen, was ich denen erzählt habe«, fuhr Svenja aufgebracht fort. »Zur Strafe schleppten sie mich in eine Kabine. Ich musste mich ausziehen.«
    Der Kaffee kam. Jung reichte ihr die Tasse. Sie nahm sie und trank. Sie versuchte sich zu beruhigen.
    »Die Krönung kam aber erst noch. In der Nebenkabine hatte jemand einen Zusammenbruch, Kreislauf oder Herzinfarkt, was weiß ich. Jede Menge Sanität jedenfalls. Ich tippe mal, sie war total okay. Ihr kam nur das Kotzen, als sie sich ausziehen sollte. Die Brühe floss unter der Trennwand in meine Kabine. Ich hätte gleich dazu kotzen können. Gott, oh Gott!« Svenja stöhnte und nahm noch einen Schluck Kaffee. »In meinem Slip haben sie nach Bomben gesucht. Was ist das für ein Scheißland?«
    Jung wusste nachher nicht mehr, welcher Teufel ihn geritten hatte. Vielleicht war es der kindische Wunsch, seiner Frau den Verlust ihres Lieblingsparfüms zu ersetzen. Jedenfalls fragte er: »Wie heißt denn dein Lieblingsparfüm?«
    »Weißt du das denn nicht?«, fragte sie beleidigt.
    Als er stumm blieb, sagte sie verächtlich: »Flower Bomb von Victor & Rolf.«
    Die unfreiwillige Komik überwältigte Jung. Er konnte sich nicht zurückhalten und prustete los: »Vielleicht haben sie dich deswegen verhaftet?«
    Seine Frau starrte ihn erbittert an. Jung verstummte. Sie knallte die Tasse auf den Tresen und enteilte zum Boarding an Gate C 18.
    Lange Zeit später, als sie schon lange wieder zu Hause waren, sollte sich Jung daran erinnern, dass in diesem Augenblick ihr Urlaub eigentlich zu Ende gewesen war. Sie hätten umkehren und nach Hause fahren sollen. Mit Sicherheit wäre er zu diesem Entschluss gekommen, wenn er gewusst hätte, was ihn noch erwartete.
    Als er den Kaffee bezahlte, fragte er sich, ob der horrende Betrag nicht besser in den Kauf eines Ratgebers geflossen wäre. In letzter Zeit überschwemmten unzählige dieser Helfer den Buchmarkt. Allerdings erinnerte er sich nicht, darunter einen gesehen zu haben, der sich mit der Frage beschäftigte: Wie bewahre ich im Urlaub Gelassenheit?
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