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Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Titel: Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
Autoren: Denise Mina
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1
Nackt
    1990

    Terry Hewitt hatte noch nie so viel Angst gehabt wie jetzt. Dass er nackt war, jagte ihm einen Wahnsinnsschrecken ein. Dadurch war er jeglicher Erkennungsmerkmale beraubt – er war unaufndbar, bereit für sein Grab.
    In Chile war Terry verhaftet worden, in Soweto hatte er beobachtet, wie einer Frau ein Autoreifen um den Hals gehängt und dieser mit Benzin übergossen und angezündet wurde, in Port-au-Prince war er Zeuge blutiger Unruhen geworden. Jetzt lag er nackt in einem schaukelnden Kofferraum, vermutlich unterwegs in einen der finsteren Randbezirke Glasgows, und war vor Angst wie gelähmt.
    Wimmernd und die Knie bis ans Kinn gezogen, konnte er nur daran denken, wie ungeheuer schutzlos er war. Nicht einmal mit seinen Händen würde er sich verteidigen können: Sie waren hinter seinem Rücken gefesselt und seine Handgelenke schwollen um die feste Schnur herum bereits an. Die Plastikplane unter ihm klebte an seiner Haut. Der grobe Sack über seinem Kopf nahm ihm die Luft zum Atmen und winzige Fasern davon gelangten in seine trockene Kehle, ließen ihn würgen.
    Seine Halsmuskeln schmerzten noch von dem Knebelgriff, der ihn ohnmächtig hatte werden lassen. Geplatzte Blutgefäße brannten in seinen Augen.
    Der Angriff war von hinten gekommen, als er alleine und angetrunken vor seiner Haustür stand.
    Bis dahin war es eigentlich ein guter Abend gewesen: Er hatte die Unterzeichnung seines Vertrags gefeiert, sein Buch sollte veröffentlicht werden. Der Verlagsvorschuss deckte nicht mal Kevins und seine Ausgaben, aber ein aufwendiger Band mit Hochglanzfotos und Text war nun mal teuer in der Herstellung. Deshalb hatte Kevin Hatcher vorgeschlagen, den Scheck über zweihundert Pfund einzulösen und das Geld ins Casino zu tragen. Sie hatten die am wenigsten zerknitterten Anzüge aus ihren Kleiderschränken geholt, schließlich wollten sie ja nicht schon am Türsteher scheitern.
    Wie sich herausstellte, waren sie viel zu gut gekleidet. Es war ein Donnerstagabend und die anderen Casinobesucher waren professionelle Spieler, die sich auf das am Einlass vorgeschriebene Minimum an Eleganz beschränkten und ansonsten abgewetzte Lederschuhe und Jacketts trugen, die längst bessere Tage gesehen hatten. Zwei Chinesinnen in verblassten Seidenblazern saßen mit versteinerten Mienen an den Tischen und fixierten unablässig die Hände des Kartengebers, der sehr flink arbeitete. Niemand sonst feierte einen Gewinn grinsend und laut jubelnd wie Kevin und Terry. Echte Spieler reagierten auf ihre Erfolge mit beiläufigen Gesten, rückten ihre aufgestapelten Jetons zurecht und tasteten sich konzentriert an den nächsten Spielzug heran.
    Doch sie beide waren ganz offensichtlich Touristen. Terry trank Whisky-Cola, Kevin schlürfte Limonade. Sie verloren eine Zeit lang und erwiesen sich anschließend als wenig mutig, denn nach dem nächsten größeren Gewinn hörten sie auf. Jetzt besaßen sie zweihundertvier Pfund. Sie kauften eine viel zu trockene Havannazigarre an der Bar, rauchten sie gemeinsam und blieben noch eine Weile sitzen, sahen zu, wie sich die echten Spieler auf die Zahlen konzentrierten und ihr Schicksal durch Willenskraft zu beeinflussen versuchten.
    Im Kofferraum erinnerte sich Terry jetzt äußerst lebhaft an die Geräusche: Schulter an Schulter hatte er mit Kevin dort gestanden, die Croupiers hatten Jetons in schwarze Samtlöcher geschoben, unerschrockene Spieler hatten neue Hoffnungen auf den grünen Tisch gesetzt und schnarrend hatte sich das Rad im beständigen Rhythmus des Verlustes gedreht.
    Kevin hatte schon mehrere Bücher veröffentlicht, aber es sollte Terrys Erstes werden, das erste greifbare Ergebnis jahrelanger Arbeit. Er würde es in sein Regal stellen und wenn sein Selbstvertrauen und sein Engagement nachließen, würde er über den Buchrücken streichen. Das wäre besser als eine Schachtel voll vergilbter Zeitungsausschnitte.
    Als er an seiner Türschwelle stand und leicht schwankend das Schlüsselloch suchte, war Terry noch ganz erfüllt von der innigen Verbundenheit, die an jenem Abend zwischen ihnen geherrscht hatte. Das einzige Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmte, war ein Geruch, ein merkwürdiger Atemhauch, abgestanden und verraucht, der sein linkes Ohr streifte. Dann klemmte sich plötzlich ein Unterarm fest um seinen Hals und drückte ihm die Halsschlagader zu. In den Sekunden bevor er das Bewusstsein verlor, zuckten ihm weiße Lichtblitze vor den Augen.
    Als er wieder zu sich kam,
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