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Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Titel: Thunderhead - Schlucht des Verderbens
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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meinem Stamm und hatten Schürfverträge für Erz und Erdöl dabei.«
    Nachdem sie eine weitere Schleife des Canons hinter sich gebracht hatten, gelangten sie in ein kleines Pappelwäldchen. Beiyoodzin hielt an und ließ alle absteigen. Während die Pferde am Bach zu grasen begannen, sprang Teddy Bear auf einen großen Felsen und streckte sich. Dabei sah er wie ein Löwe aus, der stolz über sein Revier wacht.
    Skip ging hinüber zu Nora und legte ihr einen Arm um die Schulter. »Na, wie geht es dir?«, fragte er und drückte sie fest an sich.
    »Gut«, antwortete Nora. »Und dir?«
    Skip schaute sich um und atmete tief durch. »Ich bin ein bisschen nervös, aber ansonsten fehlt mir nichts. Um ehrlich zu sein: Ich habe mich noch nie besser gefühlt.«
    »Und jetzt wäre ich dir dankbar, wenn du meine Freundin nicht mehr länger begrapschen würdest, Kumpel«, sagte Smithback scherzhaft. Gemeinsam sahen sie zu, wie der alte Indianer sein Medizinbündel von den Sattelschnüren knöpfte, es kurz betrachtete und dann auf einen schmalen Pfad deutete, der einen kleinen, felsigen Hügel hinaufführte. Oben konnte Nora die Höhle sehen, in der die Leiche ihres Vaters lag.
    »Was für ein schöner Ort«, murmelte Skip.
    Sie folgten Beiyoodzin hinauf zu der Höhle, aber als sie dort angekommen waren, zögerte Nora hineinzugehen. Stattdessen wandte sie sich um und ließ ihren Blick über den Canon schweifen. Die Regenfälle der letzten Wochen hatten für einen wahren Blumenteppich gesorgt - überall blühten Kastilleen, Mormonentulpen, Stechapfel, Ipomopsis und Wüstenlupinen. Nach längerer Diskussion hatten sich Nora und Skip dazu entschlossen, die sterblichen Überreste ihres Vaters dort zu belassen, wo sie waren. Damit hatte Pa- Kelly seine letzte Ruhestätte in einem der schönsten und einsamsten Täler des von ihm so sehr geliebten Canon-Landes gefunden. Kein anderes Grab wäre seiner würdiger gewesen.
    Nora nahm Skips Hand und sah sich in der Höhle um.
    Im Dämmerlicht konnte sie den Sattel und die abgeschabten Satteltaschen ihres Vaters erkennen, die ordentlich an der Rückwand der Höhle aufgereiht waren. Daneben stand der mit Türkisen eingelegte Pumaschädel, der selbst hier, außerhalb von Quivira, ebenso bedrohlich wie schön wirkte. Das Skelett ihres Vaters war nur von einer dünnen Schicht Sand bedeckt, und an manchen Stellen, wo der Wind ihn weggeweht hatte, sah Nora Fetzen alter Kleidung und matte, elfenbeinfarbene Knochen. Der Lage des Toten nach zu schließen musste ihr Vater bei seinem letzten Atemzug hinaus in dieses friedliche Tal geblickt haben.
    Lange blieben Nora und Skip schweigend vor dem improvisierten Grab stehen. Dann ließ Nora die Hand ihres Bruders los und zog ein kleines, abgegriffenes Heft aus ihrer Jackentasche. Es war das Notizbuch ihres Vaters, das Beiyoodzin bei einem späteren Besuch in Quivira im Pelz des von Nora erschossenen Skinwalkers gefunden und ihr geschickt hatte. Sie öffnete es und entnahm ihm einen vergilbten Umschlag, den sie selbst zwischen seine Seiten gelegt hatte. Es war der Brief, mit dem alles seinen Anfang genommen hatte.
    Diesen Brief an ihre Mutter hatte Noras Vater kurz vor der Entdeckung von Quivira geschrieben, aber in seinem Tagebuch erzählte er davon, was er in der Stadt getan hatte. Den letzten Eintrag hatte er in dem Wissen, dass es mit ihm zu Ende gehen würde, hier in dieser Höhle verfasst. Er war an seine Kinder gerichtet, und Nora hatte ihn bisher noch nicht gelesen. Das hatte sie sich für den jetzigen Moment aufgehoben, wenn sie zusammen mit Skip an seinem Grab stand.
    Sie trat einen Schritt nach vorne und blieb vor den sterblichen Überresten ihres Vaters stehen, an deren Kopfende ein krudes Kreuz aus zwei mit Lederriemen aneinander gebundenen Zedernästen im Sand steckte. Nora spürte Smithbacks Hand nach der ihren tasten und drückte sie dankbar. Nach dem Grauen der letzten Tage in Quivira war ihr der Journalist, der unter seinen Wunden und der Pilzinfektion arg gelitten hatte, ein liebevoller, ruhiger und zuverlässiger Freund gewesen. Mit ihr zusammen war er zu der Trauerfeier für Peter Holroyd nach Los Angeles geflogen, wo Nora dessen zerlesene Ausgabe von »63 5 Tage im Eis« neben den Gedenkstein gelegt hatte, der an Stelle eines Grabes an Holroyd erinnern sollte. Seine Leiche hatte man nie gefunden, ebenso wenig wie die von Enrique Aragon, dessen Trauergottesdienst auf dem Lake Powell abgehalten wurde - und zwar genau an der Stelle, wo der
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