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Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser

Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser

Titel: Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser
Autoren: Hermann Kurzke
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Schwiegereltern
    «Wir waren sehr reich!» erzählte Katja Mann noch mit 93.[ 11 ] «Ich hatte eine französische Gouvernante.» Ihr Vater Alfred Pringsheim war nicht nur königlicher Universitätsprofessor, sondern auch Erbe eines großen Vermögens. Seine geschmackvolle Jugendstilvilla in der Münchener Arcisstraße gehörte zu den kultiviertesten Adressen Münchens. Er hatte Briefe mit Richard Wagner gewechselt und verkehrte mit dem bayerischen Königshaus. Seine Ehefrau Hedwig stammte aus literarischem Hause und war mit Maximilian Harden befreundet, einem Spitzenjournalisten der Kaiserzeit. Sie war eine Tochter der Schriftstellerin Hedwig Dohm, die sich für die Frauenemanzipation eingesetzt hatte (und deshalb von den Eheschließungsplänen ihrer Enkelin nicht eben begeistert war). Hedwig Pringsheim aber war dem jungen Dichter gewogen, der da mit 29 Jahren um die Hand ihrer 21jährigen Tochter anhielt, und stand auch der jungen Familie, die sich bald bildete, hilfreich zur Seite.
    Von damals aus gesehen war Thomas Mann noch nicht der weltberühmte Nobelpreisträger, sondern ein Mann von drei Büchern, deren dauerhaften Erfolg niemand mit Sicherheit voraussehen konnte, ausgestattetmit einem bescheidenen Erbanspruch, der mit dem Pringsheimschen Besitz in keiner Weise mithalten konnte. Es gab ein klares soziales Gefälle. Thomas Mann hatte hinaufgeheiratet, nicht etwa Katja. Der Schwiegervater ließ ihn bei aller Sympathie manchmal auch Geringschätzung spüren. Er richtete dem jungen Paar das Heim ein, einschließlich Telefon. Thomas Manns bisheriges Mobiliar fand keine Gnade vor seinen Augen. «Das ist Klapperwerk», sagte er abschätzig – beziehungsweise sein Abbild im Roman
Königliche Hoheit
.[ 12 ] Widerrede gab es nicht.
    Das Leben der Schwiegereltern mündete in die Katastrophen der Nazizeit. Alfred Pringsheim war Jude. Er konnte es lange nicht glauben, daß man einer so angesehenen Familie etwas antun würde, aber er mußte es erleben, daß 1933 sein Haus abgerissen wurde, um einem Verwaltungsbau der NSDAP Platz zu machen. Enteignung folgte auf Enteignung, und nach einem stufenweisen Abstieg in immer billigere Wohnungen konnte das alte Ehepaar von Glück sagen, daß 1939 die Ausreise in die Schweiz noch gelang.[ 13 ]
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Königliche Hoheit
    Auch Thomas Manns zweiter Roman war ein Erfolg bei den Lesern, obgleich die professionelle Literaturkritik ihn zu leicht befand. Der Stoff schien geradezu kitschig, mit einem Happy-End auf dem Niveau der Regenbogenpresse: Der Prinz eines sanierungsbedürftigen deutschen Kleinstaats verliebt sich in die einzige Tochter eines milliardenschweren Trustkönigsaus Amerika, heiratet sie und rettet damit zugleich den Staat. Wie kam Thomas Mann dazu?
    Nun, da gab es natürlich den Hintergrund seiner eigenen «Sanierung» – daß er mit Hilfe einer reichen Heirat den sozialen Rang seiner Väter zurückerobert hatte. Aber das ist als Motiv viel zu oberflächlich. Wie schon im
Tonio Kröger
geht es um das Problem des Künstlers, der sich vom Leben ausgeschlossen fühlt. Das verbindet ihn mit dem Prinzen, denn auch dieser ist vom Leben streng separiert, auch dieser führt nur ein repräsentatives Scheinleben, auch dieser ist ein einsamer Außenseiter ohne Liebe. Der Künstler Tonio Kröger behauptet am Ende seiner Geschichte, daß es nicht die kalte Ekstase des Geistes, sondern die Bürgerliebe zum Lebendigen und Gewöhnlichen sei, was ihn zum Künstler mache. Aber er bleibt ja allein, kann ja die Blonden und Blauäugigen nicht von sich überzeugen. Die Synthese von Kunst und Leben, die er verkündet, für die er aber den Beweis schuldig bleibt, soll nun in
Königliche Hoheit
erzählte Wirklichkeit gewinnen. Prinz Klaus Heinrich liebt ganz unstandesgemäß «das Leben» in Gestalt einer geld ade ligen Bürgerstochter, der zwar nicht blau-, aber (wie Katja) schwarzäugigen Imma Spoelmann mit den indianischen Vorfahren, und wunderbarerweise kommt «das Leben» ihm entgegen! Und bringt auch noch Geld mit, mit dessen Hilfe der Künstler sich zudem mit dem «Volk» versöhnen kann! Denn der alte Samuel Spoelmann kabelt über den Ozean, die Milliarden strömen, die Staatsfinanzen gesunden. Auch eine politische Botschaft wird hier versucht; eine «Demokratie vonoben» wird inszeniert, wie sie für Manns Denken immer bezeichnend bleiben wird.
    Ganz so einfach war es natürlich nicht. Immerhin mußte Prinz Klaus Heinrich Volkswirtschaft studieren, um Imma davon zu überzeugen, daß es
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