Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Thea und Nat

Thea und Nat

Titel: Thea und Nat
Autoren: Carmen Korn
Vom Netzwerk:
gemacht haben sollte.
    Als Thea ihm die feuchten Haare aus der Stirn strich, zog er die Augenbrauen hoch und schob die Lippen vor.
    Er sah aus wie ein trauriges Hündchen.
    Thea kannte das Gesicht.
    »Wann ziehst du in dein Zimmer?«
    »Das Zimmer«, sagte Thea.
    »Du läßt es sausen?«
    Thea leckte an ihrer Fingerkuppe und tupfte die Konfetti auf, die aus Nats Haar gefallen waren.
    »Ja«, sagte sie.
    »Du läßt mich nicht hängen?«
    »Nein«, sagte sie.
    Nat nickte.
    Thea stand auf und ging zur Tür.
    »Du siehst fast zufrieden aus«, sagte sie.
    Es dauerte noch drei Wochen, bis der Arzt sich auf Nats Bett setzte, um Endgültiges zu sagen.
    Keine Besserung. Das Blech der Autotür hatte die Nerven zu sehr verletzt. In Höhe des vierten Lendenwirbels.
    »Ein niedriger Querschnitt«, sagte der Arzt, als hätte er eine Vergünstigung anzubieten.
    »Keinen Katheter«, sagte Nat als erstes.
    Thea stand am Fenster, sah in einen leeren Baum und sagte nichts. Sie drehte sich erst um, als sie mit Nat allein war.
    »Ich lass' mir keinen Beutel ans Bein kleben«, sagte Nat, »ich krieg das hin mit der Blase. Ist alles ja so niedrig.«
    Thea nahm ihren Mantel.
    »Brauchst du mich noch?« fragte sie.
    »Heute nicht mehr«, sagte Nat, »ich muß nachdenken.«
    Keine Kinder, dachte Thea, als sie im Bus saß.
    Daß Nat dazu nichts gesagt hatte.
    Die Frau auf dem Sitz gegenüber zog ihr zappelndes Kind auf den Schoß. Die Kleine schaffte es noch, an Theas Schienbein zu treten. »Haben Sie gehört?« hatte der Arzt gefragt und Thea angesprochen, als träfe es Thea härter als Nat.
    Thea wollte keine Kinder. Nicht mal an ihrem dreißigsten Geburtstag hatte sie an Umkehr gedacht, und wenn das kein Datum war. Thea lachte auf. Die Kleine lachte auch und streckte klebrige Hände nach Thea aus.
    Nat wollte Kinder. Seinen Besitz vergrößern, dachte Thea.
    Die Kleine faßte an Theas Hosen.
    Nächste Woche würde der Fiat da sein.
    Thea hatte schon Angst davor.
    Für Nat war wieder ein Jaguar bestellt worden.
    Der Scheck kam aus London. Von Nats Vater.
    Thea fand eine Werkstatt, die den Wagen mit einer Handbedienung ausstattete. Nat hatte das bisher außer acht gelassen und nur nach dem Holz des Armaturenbrettes und nach der Farbe der Ledersitze gefragt. Er fragte auch, wann sein Vater käme. Doch der Scheck erschöpfte dessen Anteilnahme.
    Nathaniel Landman der Ältere hielt nichts von den Hoffnungen, die Nat sich machte.
    Er hatte seinen Sohn vor dreißig Jahren verlassen.
    Louise Landman und Nat waren allein in dem alten Haus in Marylebone geblieben, das schon für drei Menschen zu groß gewesen war.
    Nat, der Muttersohn. Die Jahre mit Louise trennten ihn noch von seinem Vater, als Louise längst gestorben war.
    Sechsundzwanzig Jahre hatte Nat mit ihr gelebt. Nach ihrem Tod schloß er das Haus in Marylebone ab und kam nur noch einmal zurück. Er war in Theas Schoß gefallen. Nathaniel Landman. Thea schaute auf das schwere Türschild, das Nat von der Londoner Tür genommen hatte, nachdem das Haus verkauft war. Nicht viel später hatte er es an diese Tür geschraubt. Thea nahm ihre Visitenkarte, von denen sie seit Jahren immer wieder eine hinter das Türschild gesteckt hatte, als sei sie nur auf Besuch. Thea hielt die Karte einen Augenblick lang in der Hand und zerknüllte sie dann.
    »Haben Sie gehört«, hatte der Arzt gesagt, und Thea hatte die Schärfe des Tons gehört und sich doch nicht umgedreht.
    Sie hatten beide lebenslänglich.
    Es war der erste Abend in diesem Jahr, an dem Thea nicht gleich die Lampen anschaltete. Das graurote Licht des Februars fiel durch die Türen, die zu dem Dachgarten führten, und ließ die Möbel ganz langsam ins Dunkel sinken. Das Licht reichte noch, um die Noten auf den Blättern zu erkennen, die lose auf dem Klavier lagen. Nats hastige Köpfe und Hälse, die er hinkrakelte und die oft nach einem Lied klangen.
    Die dreißig Kerzen standen noch auf dem Tisch.
    Ein Tisch, an dem eine Schar Menschen sitzen konnte.
    Thea und Nat am Kopf einer Tafel, an der sonst keiner saß. Es war keiner dagewesen an ihrem Geburtstag.
    Nat hatte die anderen ausgeschlossen. Laß uns allein sein, Thea.
    Das war ihnen gelungen im letzten Jahr.
    Thea nahm den Feuerhaken und hockte sich vor den Kamin und stocherte in der Asche, die dort lag.
    Sie ließ den Feuerhaken in die Asche fallen und stand auf und sah in Louises Augen.
    Thea nahm den Silberrahmen vom Kaminsims.
    Nats lange schmale Nase. Sein kleiner Mund. Sein dunkles
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher