Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Thea und Nat

Thea und Nat

Titel: Thea und Nat
Autoren: Carmen Korn
Vom Netzwerk:
satt«, sagte Thea, »mehr denn je.«
    Nat tat, als höre er das zum erstenmal.
    Er krampfte die Finger zu Fäusten und drückte sie gegen die Stirn, als könne er das Schreckliche nicht fassen.
    »Ich friere«, sagte er.
    Thea schob ihn ins Haus. Als sie in seinem Zimmer ankamen, zitterte Nat und schlug die Zähne aufeinander.
    Thea ging auf den Flur und fand einen Arzt, den sie zu ihm schickte. Nats Schluchzen hörte sie noch, als sie schon am Aufzug stand. Sie sah den Arzt aus dem Zimmer kommen und ging zurück.
    Thea öffnete die Tür nur einen Spalt.
    »Du kannst aufhören«, sagte sie, »ich kenne meine Pflicht.« Dann schloß sie die Tür ganz schnell.
    Im April sahen sie sich nicht mehr jeden Tag.
    Nat lernte, die Transfers zu machen, wie er es nannte. Er konnte bald ohne Hilfe vom Bett in den Stuhl, vom Stuhl in die Wanne, aufs Klo. Er kam auch wieder allein in die Jeans. Er lernte, ein Auto zu handhaben, und konnte es, als der Jaguar Ende April geliefert wurde.
    »Es wird in meinen Papieren stehen«, sagte er zu Thea, »ein unveränderliches Kennzeichen.«
    »Vielleicht wird man mal was daran ändern können.«
    »Ich mache mir nichts vor«, sagte Nat.
    Im Mai nahm Thea eine Geschichte an. Die erste seit Monaten. Sie flog nach London und Los Angeles und nach New York.
    Der Friseur in der Kensington Church Street schnitt ihr das kurze Haar noch kürzer, färbte das helle Blond noch blonder. Thea sah nicht mehr aus, als ob sie Nats große Schwester sei. Nicht mal mehr wie dreißig.
    In Los Angeles traf sie den Schlagzeuger wieder, mit dem sie ein Jahr zuvor eine Affäre gehabt hatte.
    Die Telefonate mit Nat versuchte sie im leichten Ton zu führen. Nat ging nicht darauf ein.
    Kurz vor dem Einchecken am Kennedy Airport kehrte Thea um und fuhr noch einmal in die Stadt hinein. Nahm sich ein paar Tage mehr in New York.
    Nat war ihr ein drohendes Unheil.
    Der Artikel aus der New York Times, den Thea mitgebracht hatte, lag tagelang auf Nats Nachttisch. Er las ihn erst, als Thea ihm das Blatt vor die Nase hielt.
    »Mich bringt auch keine Elektrostimulation mehr auf die Beine.«
    »Schließ es doch nicht aus«, sagte Thea ungeduldig.
    »Schau dir das doch an«, sagte Nat, »Schienen und Schläuche und ich weiß nicht was. Der aufrechte Gang wird überbewertet. Da ist die Lösung, mit der ich lebe, die elegantere Form.«
    »Du klebst ja an dem verdammten Rollstuhl.«
    Nat sah den Galgen an, der über dem Bett hing.
    »Der Arzt will was von dir«, sagte er.
    Thea nahm die Zeitung und betrachtete das Bild.
    »Vielleicht hast du ja recht«, sagte sie.
    »Ihr Freund scheint Tischtennis nicht zu schätzen«, sagte der Arzt, »er hat den Schläger durch die Glastür gestoßen.«
    »Er ist sportlich«, sagte Thea, »nicht gerade Tischtennis.«
    »Er soll schwimmen«, sagte der Arzt, »und Volleyball spielen.«
    »Er fährt gern Skateboard«, sagte Thea.
    Der Arzt verzog das Gesicht.
    »Vielleicht liegt es doch an Ihnen«, sagte er, »vielleicht versuchen Sie noch zu verdrängen.«
    Thea sah ihn überrascht an.
    »Hat er das gesagt?« fragte sie.
    »Geben Sie ihm Kraft«, sagte der Arzt, »eine große Aufgabe.«
    Auf dem Weg nach Hause dachte Thea, daß Nat die Situation genoß. Er hatte kapiert, daß er sie total unbeweglich machen konnte.
    Der 12. Juni war Nats Geburtstag.
    Er wollte ihn nicht in der Klinik verbringen.
    Thea schlug einen Ausflug vor.
    Sie brachte ihm Champagner und eine Torte.
    Nat pustete die 33 Kerzen, die Thea in den Zuckerguß gesteckt hatte, in einem Zug aus.
    Sie nahmen den Jaguar. Nat fuhr gut und sicher.
    Thea sah ihn an und dachte, die letzten Monate geträumt zu haben.
    »Laß uns laufen.«
    Thea hörte ihren Worten nach. Sie hatte es nicht laut sagen wollen.
    Nat nickte und bog in die Straße ein, die zu dem Januar-Strand führte.
    »Hältst du das für eine gute Idee?« fragte Thea.
    »Vielleicht sind noch unsere Fußstapfen zu sehen.«
    Nat hielt nah am Strand, und Thea stieg aus und holte den Stuhl aus dem Kofferraum und stellte ihn auf. Sie sah seinem Ausstieg zu.
    »Halte dich nur zurück«, sagte Nat.
    »Du kannst es allein«, sagte Thea. Der Strand war leer. Wenigstens würde der Spaziergang keine Zuschauer haben.
    »Ich muß es auch erst lernen«, sagte Thea, als sie durch den Sand zu kommen versuchte.
    Nat legte den Kopf in den Nacken und sah sie an.
    »Das Leben liegt vor uns«, sagte er.
    In dem Gasthaus hatten sie oft gegessen. Thea war dankbar, daß sich keiner zu erinnern
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher