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Thea und Nat

Thea und Nat

Titel: Thea und Nat
Autoren: Carmen Korn
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schon ziemlich lange mit mir.«
    »Seit mindestens hundert Jahren. Ich weiß nicht mal mehr, ob es mich schon vorher gab.«
    »Was wirfst du mir nur vor?«
    »Seit wann bist du ein Anhänger von Logik?«
    »Was wirfst du mir nur vor«, wiederholte Nat und kam aus dem Sand hoch.
    »Nicht von vorne«, sagte Thea, »das erzählen wir uns auch schon alles seit hundert Jahren.«
    »Achtundneunzig davon waren wir glücklich.«
    »Laß uns aufhören«, sagte Thea, »ich habe keine Lust, länger Hänsel und Gretel im dunklen Wald zu sein.«
    »So laut kann ich nicht pfeifen, daß ich keine Angst habe allein im Wald«, sagte Nat.
    Er ging auf Thea zu und breitete die Arme aus, doch Thea trat einen Schritt zurück und ließ ihn stehen.
    »Du mußt bleiben«, sagte Nat.
    Thea schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte sie, »diesmal nicht.«
    Ihre Stimme war jetzt auch im Wind gut zu hören.
    Thea hatte die Zusage für das Fest gegeben. Ein Kontakt für Nat. Der Verlag der Gastgeberin glänzte mit einem neuen amerikanischen Autor. Nicht leicht zu übersetzen, die Texte des Amerikaners. Nat konnte das. Thea kannte den Lektor.
    Nicht mal Thea wollte absagen.
    Sie fuhren. Es war kalt an dem Abend. Auf der Elbe schwamm das erste Eis. Sie kamen zu spät, weil Nat noch lange in der Windjacke, den sandigen Jeans und den verdreckten Stiefeln herumgehangen hatte und ewig brauchte, bis er ausgehbereit an der Tür stand.
    Dann mußte er auch noch langsam fahren auf der glatten Chaussee. Als sie ankamen, war es zwei Stunden über die zugesagte Zeit. Nat ließ sich in das Fest fallen, als feiere er das Finale eines frohen Tages. Er hatte bald genug getrunken, um sein tadelloses Deutsch mit einer englischen Färbung zu dekorieren, die ihm schon vor Jahren abhanden gekommen war.
    Die Frauen fanden Nat entzückend. Er ließ sich mit Häppchen füttern und Konfetti ins Haar schütten.
    Er küßte Hände und schenkte Lachen literweise aus.
    Er lockte die Gastgeberin in einen zu schnellen Tanz.
    Er ließ bei all dem Thea nicht aus den Augen.
    »In einem Jahr weiß ich nicht mehr, wer du warst«, sagte Thea, als sie ablehnte, mit ihm zu tanzen.
    »Das stellst du dir zu einfach vor«, sagte Nat.
    Als er sich ans Klavier setzte, stand Thea mit einem New Yorker Fotografen zusammen, der ihre Magerkeit lobte und Fotos von noch magereren Frauen aus der Tasche zog.
    Thea heuchelte Interesse und lotste ihn in die hellere Diele, doch Nats Spiel folgte ihr.
    »... you want her ... you need her ...«
    Die leise Stimme dröhnte ihr in den Ohren.
    »... and yet you don't believe her ...«
    Thea ließ den Fotografen stehen und ging zurück.
    »... when she says her love is dead ...«, sang Nat, »... you think she needs you ...«
    Nat klappte den Klavierdeckel zu und sah Thea zufrieden an. Er hatte seine Register gezogen.
    Nat hing auf der Haube des alten Jaguars, als Thea das Eis von den Scheiben kratzte.
    Thea setzte sich ans Steuer und ließ den Motor an. Sie mußte erst noch mal hupen, bevor Nat sich von der Haube bequemte.
    Als er endlich neben ihr in den Sitz sank, roch Thea den Alkohol.
    Das Auto sah sie nicht. Als es aufprallte, wußte sie schon, daß alles ihre Schuld war. Sie erinnerte sich nachher auch an das Stoppschild und hatte keine Ahnung, warum sie durchgefahren war.
    Die blauen Lichter tanzten auf dem eisigen Teer.
    Thea blutete an der Stirn und strich mit der Hand darüber und wischte das Blut in ihr Haar hinein.
    Sie stand ein paar Schritte neben dem Auto und schaute auf die Lichter am Boden. Dann wurde ihr schlecht.
    »Bitte nicht«, sagte Thea und sah die Uhr an, die hinter dem Schreibtisch hing. Es war zwei Uhr nachmittags.
    Der Mann hinter dem Schreibtisch drehte sich um.
    »Zwei Uhr«, sagte er.
    Thea nahm den Blick von der Uhr und guckte auf das Kästchen, das vor der Brust des Mannes baumelte. Er griff danach und hielt es an sein Ohr, als lausche er in ein zu leises Radio.
    Am Kittel des Mannes fehlten zwei Knöpfe. Thea konnte das hellgewaschene Jeanshemd sehen, das er trug.
    Nat hatte auch so eines.
    »Weiß er es schon?« fragte Thea.
    »Bitte«, sagte der Mann und hatte Ungeduld in der Stimme, »noch ist nichts endgültig. Wir müssen abwarten.«
    »Haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Er fragte uns, kaum, daß er aus der Narkose gekommen war.«
    Thea zuckte zusammen, als das Kästchen zu piepen anfing. Der Arzt stand auf und ging aus dem Zimmer.
    Nat schien es ruhig aufzunehmen, daß er in dieser Nacht die letzten leichten Schritte
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