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The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

Titel: The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)
Autoren: Lee Goldberg
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letzte Mal, dass Marty die Klinik besucht hatte. Doch all das erzählte er Molly nicht. Es war schlimm genug, dass die halbe Fernsehbranche über seine trägen Spermien Bescheid wusste.
    »Bei unserem Versuch ging es nur darum, Spaß zu haben«, sagte Molly. »Wir haben es auch nur einmal getan, und mehr hat es nicht gebraucht. Roy machte sich schleunigst aus dem Staub, und ich konnte nicht in Thalia bleiben, nicht so. Also ging ich weg, bevor sie geboren wurde. Ich steuerte San Francisco an, aber mein Auto gab den Geist auf, als ich gerade durch L. A. fuhr. Also bin ich geblieben. Sehen Sie? Noch ein Unfall.«
    Plötzlich verzog sich Mollys Gesicht zu einer gequälten Fratze, sie kniff die Augen zusammen und Tränen des Schmerzes quollen aus ihren Augenwinkeln. Sie streckte ihre Hand aus und griff nach seinem Handgelenk, zerquetschte es fast, grub ihre Finger so fest in seine Haut, dass er selbst einen Schmerzensschrei unterdrücken musste.
    Ihr Griff lockerte sich, und als sie ihre Augen wieder öffnete, sah er, wie viel Angst sie tatsächlich hatte. Ganz egal, wie sehr er auf sie einredete, es würde sie jetzt nicht ablenken.
    »Sie ist in der Löwenzahn-Vorschule in Tarzana«, sagte Molly eilig, »werden Sie vom Krankenhaus aus die Schule anrufen und ihnen Bescheid sagen, was passiert ist?«
    »Klar«, erwiderte er.
    Und dann hörte Marty es, das unverkennbare Grollen, wie ein Magen, der unter seinen Füßen knurrte. Molly riss die Augen auf.
    »Was ist das?«, schrie sie auf, in diesem einen, langen Moment vor dem Unvermeidlichen.
    »Nachbeben!«, rief er.
    »Nachbeben?«
    Zu spät bemerkte Marty seinen Fehler, und gerade als er sah, wie sich Verwirrung auf ihrem Gesicht abzeichnete, ging das Beben los und schlug riesige, unsichtbare Wellen unter der Straßendecke.
    Er griff fest nach Mollys Hand, beugte seinen Kopf nach unten und schloss die Augen, um das Ganze auszusitzen. Das Grollen wurde lauter, ein unterirdischer Donner, durchsetzt mit den Geräuschen von berstendem Beton, zerbrechendem Glas und knirschendem Metall. Die beiden Fahrzeugwracks schaukelten hin und her, knarrend und ächzend wie rostige Scharniere. Der Wagen rutschte weg und entriss ihre Hand seinem Griff.
    Marty versuchte noch, sie festzuhalten, doch von dem herunterfallenden Gemäuer, das beim Aufprall zerschellte und zu tausend staubigen Splittern explodierte, die sich winzigen Nadelstichen gleich in seine Haut bohrten, wurde er wieder in Embryohaltung gezwungen.
    Und dann war es vorbei. Das Grollen wich zurück wie eine Büffelherde auf der Flucht.
    Marty löste sich aus seiner Schutzhaltung, über und über zerstochen, und begutachtete den Schaden. Der Volvo war einige Meter weitergerutscht, ebenso der Lastwagen, Benzin ergoss sich aus seinem auseinandergebrochenen Tank und strömte dem auf der Straße tanzenden Stromkabel entgegen.
    Er rannte zum Auto und beugte sich hinein. Molly starrte mit verzweifeltem Blick zu ihm hoch, eine Hand griff nach ihm, Blut sprudelte aus ihrem Mund und ertränkte die Worte, die sie zu sagen versuchte.
    Sie war gefangen, und Marty ebenso, verdammt dazu, sich binnen weniger Sekunden zwischen ihrer Notlage und seinem eigenen Überleben zu entscheiden.
    Marty schaute von ihr zu dem Kabel. Die Zungen aus Benzin waren nur noch wenige Zentimeter davon entfernt, an dem Kabel zu lecken. Es ging um Sekunden.
    Molly packte ihn und zog ihn herunter.
    Er wirbelte herum, und einen Schreckensmoment lang dachte er, er müsste Molly gewaltsam abschütteln, um zu entkommen. Doch sie ließ sofort los, öffnete ihre Hand, um ihm das Foto zu zeigen, das sie fest umklammert hatte, und bot es ihm mit flehendem Blick an.
    »Es tut mir leid«, flüsterte er, dann rannte er weg.
    Er hörte sie noch ein letztes, verzweifeltes Mal etwas schreien, das wie »Engel« klang, und dann explodierte der Lastwagen hinter ihm. Der Druck blies ihn um und schleuderte ihn auf die Alameda Street, dann rollte der Feuerball über ihn hinweg.
    Marty knallte mit dem Gesicht voran auf das Pflaster, so heftig und schnell, dass er nichts tun konnte, um seinen Fall aufzuhalten, der ihm den Atem raubte, seine Brille zerschmetterte und eine der kleinen Wasserflaschen in seiner Jackentasche aufplatzen ließ. Wie er so dalag und nach Luft schnappte, flatterte ihm ein Stück Papier vors Gesicht, winzige Flammen leckten an den sich kräuselnden Rändern. Es war das Bild von Mollys Tochter. Er schlug die Flammen mit der Hand aus.
    Die Ränder des Fotos waren
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