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The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

Titel: The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)
Autoren: Lee Goldberg
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kurz davor waren, aneinander vorbeizufahren, und stattdessen frontal aufeinander zu geschleudert waren.
    Er hielt einen Moment inne, beunruhigt, Schweißperlen rannen ihm den Rücken hinunter.
    Was störte ihn?
    Es brannte nicht einmal, und wenn er sich an den Bürgersteig auf der anderen Straßenseite hielt, konnte er sich leicht an dem Unfall vorbeidrücken und Richtung Alameda Street weitergehen, wo er mit Sicherheit schlimmere Massenkarambolagen zu sehen bekäme als diese.
    Viel schlimmere. Und stell dir nur vor, wie der Harbor Freeway wohl aussehen wird, sagte er sich. Du wirst dir das noch früh genug anschauen müssen. Das hier ist gar nichts.
    Er machte sich auf das Schlimmste gefasst und beschleunigte seine Schritte, die unnatürlich laut klangen, Glassplitter und Betonbrösel knirschten unter seinen Sohlen. Die Luft roch nach Rindenmulch, wie ein frisch bepflanzter Garten, sogar durch seine schweißtriefende Staubmaske hindurch.
    Als er sich an dem Unfall vorbeiquetschte, konnte er nicht anders: Er musste sich das Blutbad anschauen. Alle Einwohner von Los Angeles hatten den gleichen, unwiderstehlichen Drang; er war der Grund, warum selbst eine überhitzte Chevette auf dem Seitenstreifen einen Zwanzig-Meilen-Stau verursachen konnte.
    Das Fahrerhaus des Trucks hatte sich in das Lagerhaus geschoben, was ihm den Anblick des Fahrers ersparte. Der Anhänger war auseinandergebrochen und spuckte Säcke mit Blumenerde aus, die bei dem Aufprall aufgeplatzt waren und überall tiefschwarzen Dreck versprengten. Jetzt wusste er, woher der Geruch kam.
    Der Volvo war fast völlig platt gedrückt und begraben unter Schutt. Nicht einmal das schwerfälligste, sicherste Automodell konnte es mit einem solchen Gigaliner aufnehmen. Benzin, Öl und Kühlflüssigkeit bluteten aus den beiden Fahrzeugen und vermischten sich im Rinnstein neben Martys Füßen.
    Es knisterte irgendwo.
    Er spähte über den Volvo und sah eine Funken speiende elektrische Leitung über den Boden zucken. Der Truck hatte einen Strommasten umgerissen, der nun quer über der Straße lag. Das Stromkabel lag in sicherer Entfernung von ihm und dem auslaufenden Benzin. Trotzdem hätte er gerne noch etwas mehr Abstand zwischen sich und das Kabel gebracht, das er argwöhnisch beäugte als wäre es ein lebendes Wesen, ein Raubtier, bereit zum Angriff.
    Und da kam sie, die Attacke, etwas packte ihn am Knöchel.
    Er schrie und versuchte instinktiv zur Seite zu springen, stolperte über seine eigenen Beine und knallte hart auf den Boden. Damit löste er einen weiteren Schrei aus, nur dass es dieses Mal nicht er war, der schrie. Es war ein Schmerzensschrei aus dem Inneren des Wagens.
    Marty krabbelte fort, und mit einem Blick über die Schulter sah er einen dreckverkrusteten Arm, der sich aus dem Volvo streckte und verzweifelt in die Luft griff. Es war, als käme eine Hand aus einem Grab emporgeschossen.
    »Helfen Sie mir, bitte«, flehte eine Frauenstimme aus dem Inneren des zusammengefalteten Volvos.
    Er könnte wegrennen. Einfach weitergehen. Niemand würde es je erfahren.
    »Ich kann nicht atmen«, wimmerte sie.
    Marty kroch zu dem Wagen, bevor ihm überhaupt bewusst war, eine Entscheidung getroffen zu haben, nahm die Hand und spähte in die Öffnung, aus der sie herausragte. Es war, als starrte er in den Schlund eines Metallmonsters, eines riesigen weißen Volvos, der diese arme junge Frau bei lebendigem Leibe zermalmte. Die untere Hälfte ihres Körpers war von scharfkantigem Metall völlig zerfetzt, ihr Oberkörper fast begraben unter Blumenerde. Ihr zweiter Arm war in einem unnatürlichen Winkel verdreht, abgebrochene Knochensplitter stachen durch die Haut.
    »Halten Sie durch«, sagte Marty, »ich bin bei Ihnen.«
    Er griff hinein, schaufelte den Dreck weg und befreite ihren Kopf, damit sie atmen konnte. Ihr Haar war fast so dunkel wie die Erde, sie hatte grüne Augen, die in panischer Intensität loderten. Sie sog die Luft in flachen, krächzenden Atemzügen ein.
    »Ich dachte, Sie würden mich zurücklassen.« Ihre Stimme hatte eine leichte Texas-Färbung. Er schätzte sie auf um die Dreißig.
    Marty nahm seine Brille ab und zog sich die Staubmaske vom Gesicht, sodass sie um seinen Hals baumelte. »Sie haben mich erschreckt. Das ist alles.«
    Er hätte sie fast gefragt, ob alles in Ordnung sei, konnte sich aber gerade noch bremsen. Die Frage war ein dummer Reflex. Sie steckte ganz offensichtlich in massiven Schwierigkeiten. Obwohl ihre Bluse vor Schmutz
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