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The Doors

The Doors

Titel: The Doors
Autoren: Greil Marcus
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ist der zwanzigste Jahrestag von Altamont! Wir werden uns als Hell’s Angels verkleiden oder uns nackt ausziehen, so als hätten wir einen Trip zu viel eingeschmissen, und dann feiern wir ’ne irre Party!«? 2007 war sogar noch schlimmer: 40-jährige Jubiläen zu begehen, ist eher ungewöhnlich, doch die Medien warfen einen Blick auf den Kalender, und mit einem Mal war 1967 das wichtigste Jahr in der Geschichte der Menschheit. Was, Sie sind nicht dabei gewesen? , schien jeder Fernsehsender, jede Magazin-Titelseite, jede Rundfunkstation zu fragen oder eher mitleidig zu spotten. Sie erinnern sich nicht an den Tag, an dem das Sgt. Pepper-Album der Beatles herauskam? An den Sechstagekrieg? An das Monterey Pop Festival? An den »Summer of Love«? An das erste Doors-Album?
    »Welche Bedeutung haben die Beatles/Woodstock/Altamont heute ?«, wollten die Journalisten 1989 am Telefon von mir wissen. »Überhaupt keine«, erwiderte ich dann, gereizt, aber auch verdutzt. »Was interessiert Sie an dieser Geschichte?«, fragte ich sie. Das wussten sie nicht; man hatte sie mit diesem Job beauftragt. Sie sollten losziehen und irgendwas zu Papier bringen, und jemand hatte ihnen gesagt, dass ich derjenige sei, an den sie sich wenden müssten – als hätte ich oder als hätten Leute meines Alters irgendein Geheimnis, das sie hüteten.
    Man ging offenbar davon aus, dass jeder, der etwas über diese Zeit wissen konnte, nichts Besseres zu tun hatte, als zu Hause herumzusitzen und über die Bedeutung von Ereignissen nachzugrübeln, die man seinerzeit vor allem als Spaß empfunden hatte oder auch nicht als Spaß – als sei das Leben, das man seitdem geführt hatte, leer gewesen. Das, so erkannte ich, war das Geheimnis hinter dem Interesse, das die Medien an diesen Geschichten oder Nichtgeschichten hatten. Die Medien meinten offenbar, dass das Leben seit dem Ende der 1960er-Jahre leer gewesen sei, dass seither nichts mehr passiert sei – oder jedenfalls nichts, dessen zu gedenken sich lohnte. Und das gehörte auch zu diesem Mediengeheimnis: die Idee des Gedenkens. Die Jubiläen waren Beerdigungsversuche, Versuche, etwas zu Grabe zu tragen. Doch die Beerdigung schien nie zu enden, und die Bestattung schien niemals abgeschlossen.
    Ich musste an einen Cartoon aus dem New Yorker denken: Eine nett angezogene Frau mittleren Alters steht in ihrem nett eingerichteten Wohnzimmer und wendet sich an ihren Ehemann, einen schmerbäuchigen Typen, der sich auf einem Sessel fläzt und deprimiert, erschöpft und ungepflegt aussieht. »Honey«, sagt sie zu ihm, »die 60er-Jahre sind vorbei.« Das wäre 1980 witzig gewesen, in dem Jahr, als Ronald Reagan zum ersten Mal zum Präsidenten gewählt wurde. Der Cartoon erschien 1988, kurz bevor Ronald Reagan das Weiße Haus verließ. Und der Cartoon erschien genau zur richtigen Zeit. Wenn es so etwas wie eine Personifizierung der Sixties gab, dann war es Ronald Reagan: die Negation der mythischen Sixties, aber gleichwohl eine Verkörperung der Sixties. »In seinen frühen Jahren war Elvis mehr oder weniger unpolitisch«, schrieb der Kolumnist und Romanautor Michael Ventura 1987, »und trotzdem erzielte keiner außer Martin Luther King in den USA der Fünfzigerjahre eine so große politische Wirkung wie Elvis. Im Alleingang schuf er das, was man später den ›Jugendmarkt‹ nennen sollte, das heißt, die Nachfrage nach der Art von Musik, die er populär machte. Weil sie als ein Markt vereint war, entwickelte diese spezifische Welle von Jugendlichen den sozialen Zusammenhalt, aus dem dann der Umbruch der Sechzigerjahre hervorging, ein Umbruch, auf den unsere Politik seither reagiert, positiv wie negativ.«
    Newt Gingrich stempelte Bill und Hillary Clinton als »counter-culture McGoverniks« ab – womit er nicht nur Beatniks meinte, sondern auch, Stichwort Sputnik, Kommunisten –, und auch Reagan avancierte zu einer Figur von nationalem Rang, indem er entschieden und kompromisslos gegen besagten Umbruch Stellung bezog. Als er 1966 in Kalifornien für das Amt des Gouverneurs kandidierte, da trat er gegen das zwei Jahre zuvor in Berkeley entstandene Free Speech Movement an, und er gewann; 1980 trat er gegen die Sixties insgesamt an, so wie es ihm Margaret Thatcher ein Jahr zuvor in Großbritannien vorgemacht hatte. Beide beschränkten sich jedoch nicht darauf, die Sixties zu verdammen: Sie hielten die Zeit und die Idee am Leben, indem sie sich deren Rhetorik aneigneten und deren Parolen oder Slogans kurzerhand
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