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Teuflische Kuesse

Teuflische Kuesse

Titel: Teuflische Kuesse
Autoren: Teresa Medeiros
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Briefbogen auf. »Mein
über alles geliebter Sohn«, las sie vor. »Bitte verzeih meine miserable
Schrift. Das Laudanum, das ich einzunehmen habe, um die Schmerzen zu lindern,
scheint Geist und Hand gleichermaßen zu benebeln.«
    Sterling
richtete sich gerade auf. »Tu das nicht, Laura«, sagte er leise. »Ich warne
dich ...«
    Ihr liefen
erneut Tränen übers Gesicht, doch ihre Stimme blieb ungerührt fest.
»Verschwende kein Mitleid auf mich. Dass ich sterben muss, ist nicht so
schrecklich. Nur dass ich sterben muss, ohne dein geliebtes Gesicht noch einmal
gesehen zu haben.«
    »Zur Hölle
mit dir, Frau! Dazu hast du kein Recht!« Sterling riss ihr den Brief aus der
Hand, knüllte ihn zusammen und warf ihn in den kalten Kamin. »Sie war nämlich
nicht deine Mutter. Sie war meine!«
    Laura
zeigte mit zitterndem Finger auf die Feuerstelle. »Und das waren ihre letzten
Worte an dich. Bist du sicher, dass du sie wegwerfen willst, als seien sie ein
Stück Unrat?«
    »Und warum
nicht? Das hat sie mit mir doch auch gemacht, oder vielleicht nicht?«
    »Und was
ist mit deinem Vater? Ich habe nie verstanden, warum du ihr die Schuld gibst,
nicht ihm.«
    »Sie war
diejenige, die mich hätte lieben müssen!«, brüllte Sterling.
    Sie
starrten einander einen Augenblick lang an, beide zitternd, beide schwer
atmend. Dann marschierte Sterling ans Fenster und schaute in die Nacht hinaus.
Dass er die Selbstbeherrschung verloren hatte, widerte ihn an.
    Als er
wieder zu sprechen begann, war seine Stimme kühl und klar. »Mein Vater hat
meine Gesellschaft kaum ertragen. Er hätte mich für dreißig Silberstücke an
eine Bande Zigeuner verscherbelt, wenn er sich davon eine Flasche Portwein oder
eine Stunde am Spieltisch hätte erkaufen können.« Sterling drehte sich langsam
zu Laura um. »Er war vielleicht derjenige, der mich verkauft hat. Aber sie war
es, die es zugelassen hat. Ich kann es einfach nicht begreifen. Und ich kann
nicht vergeben, was ich nicht begreifen kann.«
    Laura nahm
eine Hand voll Briefe und streckte sie ihm mit flehentlichem Gesichtsausdruck
hin. »Verstehst du denn nicht? Die hier werden dir helfen, alles zu begreifen.
Wenn du sie liest, wird dir vielleicht klar werden, wie machtlos sie deinem
Vater gegenüber war. Wie er sie davon überzeugt hat, dass dein Onkel dir eine
Zukunft bieten konnte, wie sie es nie gekonnt hätten. Als die Tat getan war und
sie begriffen hat, welch schrecklichen Fehler sie begangen hatte, hat dein
Vater ihr jeden Kontakt zu dir verboten. Er hat ihre Briefe an dich zerrissen,
bevor sie sie noch abschicken konnte. Er hatte sie davon überzeugt, dass du
ohne sie besser dran seiest. Dass sie keinen Platz mehr hätte in deinem Leben.
Sie hat Jahre gebraucht, den Mut zu finden, dir wieder zu schreiben.«
    »Mein Vater
ist nunmehr seit über zehn Jahren tot. Trotzdem hat sie in all der Zeit kein
einziges Mal versucht, mich zu sehen.«
    »Hättest du
sie denn empfangen?«
    »Ich weiß
es nicht«, musste er zugeben.
    »Und sie
wusste es auch nicht. Und sie hätte es wohl nicht ertragen, wenn du sie
abgewiesen hättest.« Laura kam ein Stück näher. »Und wenn sie versucht hätte,
deinen Vater daran zu hindern, dich von Granville Harlow adoptieren zu lassen,
welche Möglichkeiten hätte sie gehabt? Sie hatte weder die rechtlichen Mittel
noch die gesellschaftliche Macht dazu. Sie war eine Frau, die in einer
Männerwelt gefangen war – einer Welt, die von Männern wie dir und deinem Vater
gemacht wird.«
    »Ich bin
aber nicht wie mein Vater«, schnaubte Sterling.
    Laura holte
tief Luft. »Da kannst du Recht haben. Wenn man Diana glaubt, dann wirst du von
Tag zu Tag deinem Onkel ähnlicher.«
    Sterling
sank auf den Fenstersims und lachte bitter. »Et tu, Brute?«
    »Deine
Mutter hat einen furchtbaren Fehler gemacht, Sterling. Und sie hat ihr Leben
lang dafür bezahlt.«
    »Hat sie
das? Oder bin es nicht ich gewesen, der bezahlt hat?« Er fuhr sich mit der Hand
durchs Haar. »Ich habe es keiner Menschenseele je erzählt, doch es gibt eine
ganz bestimmte Sache, die ich ihr niemals verzeihen werde.«
    Laura
schaute ihn fragend an.
    »Als ich an
jenem Tag begriffen hatte, was sie und mein Vater getan haben und mit meinem
Onkel zur Tür gegangen bin, hat sie sich hingekniet und ihre Arme nach mir
ausgestreckt. Ich wusste, es war das letzte Mal, dass ich sie sehen würde, aber
ich bin ohne ein einziges Wort an ihr vorbeigegangen.« Laura stand jetzt nur
noch eine Handbreit entfernt, doch Sterling
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